Brandbrief des Mittelstandes "Es ist eine Minute vor zwölf"
18 Wirtschaftsverbände fordern in einem Brandbrief an die Ministerpräsidenten die schnellstmögliche Verabschiedung des Wachstumschancengesetzes. Ihr Vorwurf: Der Bundesrat blockiere die Rettung des deutschen Mittelstands.
Der Brief ist deutlich: "Es steht nichts weniger auf dem Spiel als die Rettung des deutschen Mittelstands." 18 Wirtschaftsverbände haben den deutschen Ministerpräsidenten geschrieben. Sie fordern, "die Blockade des Wachstumschancengesetzes sofort aufzugeben".
Christoph Ahlhaus ist empört. Man merkt es daran, dass seine Stimme leicht bebt, er noch mehr gestikuliert als sonst. "Es eilt, es ist wirklich eine Minute vor zwölf", sagt der Geschäftsführer des Bundesverbandes der mittelständischen Wirtschaft (BVMW), der 2010 und 2011 für die CDU Erster Bürgermeister Hamburgs und damit selbst Regierungschef eines Bundeslandes war. "Und in dieser Situation erleben wir politische Spielchen, blockiert die Union das Wachstumschancengesetz!", sagt er.
Entlastung werde im Bundesrat blockiert
Das mache ihn richtig sauer, so Ahlhaus. Auf der einen Seite rede Oppositionsführer Friedrich Merz darüber, die Wirtschaft zu entlasten. Auf der anderen Seite würden die Ministerpräsidenten der Union genau diese Entlastung im Bundesrat blockieren, nämlich das Wachstumschancengesetz. Das passe nicht zusammen.
Auch deswegen hat der Mittelstandsverband BVMW zusammen mit 17 weiteren Verbänden den Länderchefs einen geharnischten Brief geschrieben. Das Schreiben liegt dem ARD-Hauptstadtstudio exklusiv vor.
Darin steht, dass das geplante Gesetz "ein erstes Zeichen der Zuversicht" setzen könne "für eine beginnende Entlastungs- und Investitionsoffensive". Und weil es den Mittelstand entlaste, wünsche der eine "schnellstmögliche Verabschiedung".
"Keine verantwortungsvolle Politik"
In dem Entwurf des Gesetzes stehen beispielsweise Prämien für klimafreundliche Investitionen und bessere Abschreibungsmöglichkeiten. Auch soll das Steuersystem an zentralen Stellen durch höhere Pauschalen und weniger Bürokratie vereinfacht werden. Eigentlich sollte das Gesetz die Wirtschaft um sieben Milliarden Euro pro Jahr entlasten, nach aktuellem Verhandlungsstand werden es eher drei Milliarden.
Der Bundestag hat dem Gesetz bereits zugestimmt. Die Länder aber fürchten hohe Steuerausfälle und haben daher den Vermittlungsausschuss angerufen. Es geht aber nicht nur um Steuerausfälle, auch Parteitaktik spielt eine Rolle: Die Union will nur zustimmen, wenn die Bundesregierung das umstrittene Aus für den Agrardiesel zurücknimmt.
Für Ahlhaus ein Unding: "Die mittelständischen Unternehmerinnen und Unternehmer ärgern sich darüber, dass die Politik nicht verstanden hat - und zwar sowohl Regierung als auch Opposition - worum es jetzt geht. Das ist keine verantwortungsvolle Politik."
Gesetzentwurf geht in Vermittlungsausschuss
Neben dem BVMW haben 17 weitere Verbände den Brief unterschrieben, darunter beispielsweise der Bundesverband IT-Mittelstand, der Eigenheimerverband und der Bundesverband Taxi. Das Schreiben richtet sich an alle Ministerpräsidenten.
Die Verknüpfung zwischen Agrardiesel-Aus und dem Wachstumschancengesetz wird aber konkret zum Thema. Das verkenne die "Dimension der strukturellen wirtschaftlichen Herausforderungen" heißt es in dem Schreiben: "Diese politische Haltung wird den derzeitigen strukturellen Problemen unseres Standorts nicht gerecht. Weder parteitaktische Spielchen noch Streitereien innerhalb der Ampel-Bundesregierung dürfen dieses so wichtige Signal jetzt verschleppen."
Das Schreiben wurde per E-Mail verschickt. Die Ministerpräsidenten sollten es also rechtzeitig auf dem Schreibtisch haben, bevor sich am kommenden Mittwoch der Vermittlungsausschuss trifft. Dort soll der Gesetzentwurf erneut besprochen werden.