Projekt Drug-Checking Warum Berlin Drogen testet
Wenn auf Partys Drogen die Runde machen, weiß kaum jemand, was wirklich drin steckt. Kokain, Cannabis, Ecstasy sind häufig verunreinigt oder "fehldeklariert". In Berlin kann man seinen Stoff testen lassen - ganz legal.
Diese Verwechslung könnte im schlimmsten Fall tödlich enden: Ketamin statt MDMA - also ein Narkose- statt eines Aufputschmittels. Entdeckt wurde die "Fehldeklaration" von den Chemikern der Berliner Gerichtsmedizin. "Davor muss der Konsument unbedingt gewarnt werden", sagt Martin Jasyk. Der Chemiker arbeitet im Landesinstitut für gerichtliche und soziale Medizin in Berlin.
Seit Anfang Juni testen sie hier Drogen, die Konsumierende abgegeben haben. Vorher gab es einen mehrwöchigen Probelauf. Das Zwischenfazit nach 70 Proben: 25 bis 30 Prozent der Drogen waren auffällig, also falsch deklariert oder mit einem zu hohen Wirkstoffgehalt. "Das war schon in einem Bereich, in dem es wirklich gefährlich wird, selbst wenn die Tabletten vor dem Konsum halbiert werden", erzählt Jasyk.
Warnungen auf der Website
Auf der Website des Projektes werden die Warnungen veröffentlicht. "Drug-Checking ist unserer Auffassung nach erfolgreich, wenn wir gesundheitliche Schäden vermeiden können und wenn wir als Drogenhilfe Konsumierende erreichen, die durch die Drogenhilfe sonst nicht erreicht werden oder viel zu spät erreicht werden", beschreibt der pharmazeutische Leiter des Projektes die Ziele des Drug-Checkings. Denn ohne Kontakt zur Beratungsstelle läuft es nicht.
Für die Suchtberater öffnet das Angebot auch die Tür in die Szene, die sie mit den klassischen Angeboten nicht erreichen können. "Da fällt eine Hemmschwelle", sagt Ulrike Scherling, Leiterin der Suchtberatung Misfit. Das seien Leute, die sonst nicht in die Beratungsstelle gekommen wären. Das Gespräch gibt es bei der Abgabe dazu - ein weiteres nach der Analyse der Reinheit und der Inhaltsstoffe.
Drei Tage bis zum Testergebnis
Gerade in der Party- und Feierszene sei der Bedarf hoch. "Sie haben ein großes Interesse daran, gesund und weniger schädigend zu konsumieren", erzählt Scherling. Gesund konsumieren - das mag zunächst einmal befremdlich klingen. Doch alle an dem Projekt Beteiligten berichten Ähnliches. "Es besteht das Bedürfnis zu wissen, welches gesundheitliche Risiko davon ausgeht und wie sie das reduzieren können", sagt Projektkoordinator Tibor Harrach.
Doch bis das Ergebnis vorliegt, dauert es im Schnitt drei Tage, maximal sieben. Diejenigen die am Wochenende feiern gehen und dann spontan kaufen, erreicht dieses Angebot nicht. Dafür bräuchte es mobile Tests - und zwar dort, wo die Drogen konsumiert werden, auf den Festivals oder eben in den Clubs.
Berliner CDU tat sich schwer
Aber es ist immerhin ein Anfang. Seit den 1990-Jahren streitet Berlin über das Drug-Checking. Es dauerte Jahre, bis sich die Parteien einigen konnten und die Rahmenbedingungen feststanden. Die Berliner CDU hat lange mit sich gerungen, diesen Schritt mitzugehen. Vorteile seien erkennbar, sagt CDU-Innenexperte Burkhard Dregger. Aber: "Die Besorgnis war, dass wir damit eine Unterscheidung schaffen zwischen vermeintlich sauberen Drogen und dreckigen Drogen". Weitere Schritte seien vorstellbar, doch vorher müsse man dieses Projekt auswerten.
Andere Länder wie Österreich oder die Schweiz sind da weiter. Drug-Checking gibt es dort seit 20 Jahren. Aber auch bundesweit bewegt sich etwas. So steht im Koalitionsvertrag der Ampel: "Modelle zum Drug-Checking und Maßnahmen der Schadensminimierung ermöglichen wir und bauen wir aus." Noch vor der Sommerpause soll das Thema im Bundestag debattiert und Modellversuche in den Bundesländern ermöglicht werden.
Drug-Checking als Teil der Prävention
Nach Ansicht des Bundesdrogenbeauftragten Burkhard Blienert ist die Zeit der verbotsgetriebenen Drogenpolitik vorbei. Drug-Checking soll ein fester Teil der Drogenprävention werden. "Mit einer Normalisierung oder einer Entkriminalisierung des Drogenkonsums hat das gar nichts zu tun", sagt der SPD-Politiker.
Die Zahl der Drogentoten steigt seit zehn Jahren deutlich. 2012 starben 944 Menschen, 2022 waren es mehr als doppelt so viele. Die meisten sterben an den Folgen der Sucht, doch auch die Todeszahlen im Zusammenhang mit so genannten Partydrogen stiegen zuletzt deutlich. Drug-Checking soll diesem Trend etwas entgegensetzen.