![AfD Stand Didacta Stuttgart | SWR/ Katharina Fuß AfD Stand Didacta Stuttgart](https://images.tagesschau.de/image/1f698677-52ab-4b08-8854-9a1c27eb4283/AAABlPZATGc/AAABkZLrr6A/original/didacta-stuttgart-bilder-100.jpg)
Vor Bundestagswahl Was die AfD in der Bildungspolitik will
Auf der Bildungsmesse didacta in Stuttgart ist auch die AfD erstmals mit einem Stand vertreten. Während die einen dort gegen die Partei protestieren, will die ihr Bildungsprogramm vorstellen. Aber wie sieht das aus?
"Demokratie braucht Bildung - Bildung braucht Demokratie" - unter diesem Motto läuft ab heute die Bildungsmesse didacta in Stuttgart. Nach Angaben der Veranstalter ist sie die größte Bildungsmesse Europas. Mit dabei sind in diesem Jahr mehr als 700 Aussteller - und ein Novum: Erstmals beteiligen sich auch politische Parteien als Aussteller an der Messe.
Einen Stand hat auch die AfD. Bereits zum Start der Messe kam es dort zu einer Protestaktion. Aber auch in den vergangenen Tagen hatte der AfD-Stand für Kontroversen gesorgt. Sowohl der Zentralrat der Juden als auch Lehrer- und Bildungsverbände, Eltern- und Schülerverbände, Gewerkschaften und Hilfsorganisationen kritisierten, dass die Veranstalter der teils rechtsextremen Partei vor der Bundestagswahl Raum gäben und damit deren Ideologien legitimierten. Aber was fordert die AfD eigentlich in Sachen Bildung?
![Protest vor dem Stand der AfD auf der Bildungsmesse didacta in Stuttgart. | SWR/ Katharina Fuß AfD Stand Didacta Stuttgart](https://images.tagesschau.de/image/c4f2d632-49c5-4fe7-9675-2917383d05cb/AAABlPZAT2Y/AAABkZLlUbs/16x9-960/didacta-stuttgart-bilder-102.jpg)
Protest vor dem Stand der AfD auf der Bildungsmesse didacta in Stuttgart.
AfD für verbindliche Grundschulempfehlungen
Ein Blick in das Wahlprogramm der AfD auf Bundesebene zeigt: Die Partei setzt sich etwa für eine verbindliche Empfehlung in der Grundschule und den Erhalt von Förderschulen ein. Islamunterricht will die AfD laut dem Programm nicht - ob die die Partei damit auch das Ersatzfach Ethik ablehnt, in dem oft auch der Islam behandelt wird, bleibt jedoch offen. Zum Thema Politik in Schulen bleibt das Programm vage. So schreibt die AfD in ihrem Programm: "Schule muss den Schülern die Freiheit geben, eigene politische Denkweisen ohne Vorgaben durch Lehrpläne und Unterrichtswerke zu entwickeln."
Nach Ansicht des Landesverbandes Bildung und Erziehung Baden-Württemberg (VBE) ist das Wahlprogramm der AfD im Bildungsbereich "sehr oberflächlich geschrieben, behandelt viele Themen unterkomplex und hält sich zu viel an Allgemeinplätzen auf". Zu vielen Themen wie beispielsweise Demokratiebildung oder Lehrkräftebildung enthalte das Wahlprogramm der AfD "praktisch überhaupt keine Aussagen", schreibt der Verband auf Anfrage des SWR. Auf eine Nachfrage, die genannten Forderungen zu konkretisieren, antwortete die AfD nicht.
Schulleiter: Forderungen nicht umsetzbar
Einige konkrete Forderungen finden sich dagegen auf der Website der AfD - etwa in ihrem Grundsatzprogramm. Dort kritisiert die Partei etwa einen "Einfluss von internationalen Konzernen, Stiftungen und anderen Lobbygruppierungen wie beispielsweise der OECD und des PISA-Konsortiums".
Oliver Hintzen, Schulleiter der Johann-Belzer-Grundschule in Weisenbach in Baden-Württemberg und stellvertretender Landesvorsitzender der VBE Baden-Württemberg, weist das zurück. Öffentliche Schulen seien mit Ausnahme weniger Projekte staatlich finanziert. Und auch dass die Schülerinnen und Schüler an unbenoteten Tests etwa für die PISA-Studien mitmachten, habe seine Berechtigung. So erklärt der Schulleiter: "Wir müssen die Kinder gesellschaftsfähig machen, dass sie Teil der Gesellschaft werden." Ländervergleichende Studien könnten da eine Orientierung geben, um auch in Deutschland zu wissen, ob das Bildungssystem in die richtige Richtung gehe, um dieses Ziel zu erreichen.
Eine weitere Forderung der AfD lautet, Bildungsinhalte sollten von Fachlehrern vermittelt werden. Diese Forderung funktioniere in der Realität "überhaupt nicht", ordnet Schulleiter Hintzen ein. In Deutsch und Mathe vermeldet er noch "relativ hohe Fachanteile" - in Nebenfächern wie Physik oder Chemie funktioniere das dagegen schlichtweg nicht, auch in Hinblick auf den Lehrkräftemangel. Würde man den Unterricht nur noch mit Fachlehrern besetzen, gäbe es laut Hintzen zu viel Ausfall.
Frühsexualisierung oder Aufklärung?
Die AfD kritisiert zudem eine "Frühsexualisierung in Krippen, Kindergärten und an den Schulen", die - so die Partei - zu einer Verunsicherung der Kinder in Bezug auf ihre sexuelle Identität führe. Diese Forderung weist Schulleiter Hintzen entschieden zurück. Aufklärung sei bereits früh nötig - auch schon in der Grundschule. "Themen, die wir früher mal in Klasse 8 gemacht haben, müssen wir deutlich früher ansetzen, weil aufgrund unserer gesellschaftlichen Beeinflussung die Themen so gesetzt sind, wie sie gesetzt werden", erklärt Hintzen.
Ich spreche jetzt tatsächlich von Drittklässlern, die mir plötzlich irgendwelche Pornoseiten unter die Nase halten und sagen ‚Guck mal, was ich auf meinem Handy habe‘.
Auch in Hinblick auf Missbrauch ist es laut Hintzen wichtig, dass die Themen Sexualität und Körper in der Schule besprochen werden. "Wir müssen das leider diskutieren, damit den Kindern auch klar wird, dass sie Stopp sagen dürfen, wenn es in solche Richtungen geht", führt der Schulleiter aus.
Bildungsforscherin beobachtet Radikalisierung
Auch die Bildungsforscherin Rita Nikolai findet viele Forderungen der AfD zur Bildungspolitik in Deutschland schwierig. Sie erklärt im Gespräch mit dem SWR: "Als Erziehungswissenschaftlerin ist ja für mich auch immer das Thema wichtig, dass ich Vielfalt im Bildungssystem drin haben möchte". Die Position der AfD würden diesen Zielsetzungen demnach nicht nachkommen.
Nikolai forscht an der Universität Augsburg zu bildungspolitischen Forderungen der AfD - und wie sich diese über die Jahre verändert haben und weiter verändern. Dazu hat die Bildungsforscherin die Wahlprogramme der vergangenen zehn Jahre untersucht und die Häufigkeit verschiedener Stichworte verglichen.
Dabei beobachtet Nikolai eine Radikalisierung der Partei bei schulpolitischen Positionen. So sei eine wiederkehrende Forderung der AfD, dass Schule Heimatvermittlung leisten solle. Dazu kommen laut Nikolai "geschichtsrevisionistische Äußerungen" und die Forderung nach einem Geschichtsunterricht, der weniger den Nationalsozialismus und die Shoa thematisieren sollten. Mit dem Begriff wird die systematische Vernichtung ganzer Bevölkerungsgruppen während des Nationalsozialismus beschrieben. Stattdessen fokussiere die AfD sich stärker auf das 19. Jahrhundert und das Deutsche Kaiserreich.
Politische Neutralität kein Konsens
Zudem beobachtet Nikolai die Forderung nach einer "politischen Neutralität". Die AfD klagt laut der Bildungsforscherin zudem über eine "Indoktrinierung an Schulen". Die Partei versteht laut der Forscherin dabei eine Richtlinie falsch, laut der empfohlen wird, sich mit Schülerinnen und Schülern über politische Inhalte zu streiten und sich darüber auszutauschen. "Nur was eine Lehrkraft nicht machen sollte, ist, den Schülern die eigene überzustülpen." Dabei müsse auch immer zugelassen werden, dass es verschiedene Meinungen gebe, fügt Nikolai hinzu. Zur politischen Neutralität verpflichte die Richtlinie aber nicht.