Entwurf im Kabinett Der lange Weg zum Haushalt
Heute wird das Bundeskabinett den Haushaltsentwurf beschließen. Bis dahin war es ein steiniger Weg - und die nächsten Etappen werden nicht leichter.
Von einem politischen "Iron Man" redet Finanzminister Christian Lindner. Durchhaltevermögen und Teamgeist seien für diese Daueraufgabe erforderlich. In seiner Rede spricht der FDP-Politiker vergangene Woche nicht über den Haushalt, sondern über eine Reform des Steuersystems. Eine Expertengruppe hatte ihm gerade Lösungen für ein vereinfachtes Steuersystem überreicht. Mehr als 400 Seiten Ergebnisse für eine Unternehmens- und Steuerreform. Ein Thema, das Lindner wichtig ist, quasi liberale Parteipolitik.
Doch in den Knochen stecken ihm die harten Haushaltsverhandlungen mit Kanzler Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck - eine Art Marathon, der nie zu enden scheint. Die wichtigste Etappe wurde schon genommen: die Einigung. Der Weg dahin war weit. 23 Mal haben sich Scholz, Lindner und Habeck getroffen, 80 Stunden lang verhandelt.
Das Ergebnis haben Beamte aus dem Finanzministerium in den vergangenen Tagen in Zahlen gegossen. 481 Milliarden Euro will der Bund nächstes Jahr ausgeben, 44 davon auf Kredit. 1.437 Seiten hat der Haushalt insgesamt - es gibt also ordentlich Sommerlektüre für die Politiker.
Baustelle Verteidigung
Nicht allen wird gefallen, was sie da zu lesen bekommen. Beispielsweise Verteidigungsminister Boris Pistorius. Der hatte gern und häufig betont, dass er sich einen ordentlichen Aufschlag auf sein Budget wünscht. Von fast sieben Milliarden Euro war da mal die Rede, nun ist es ein Plus von 1,3 Milliarden Euro geworden.
Das wird Pistorius sicher zeitnah wieder ansprechen, die Diskussion über Nachholbedarf wieder aufflammen. "Die Bundeswehr wird stark gefördert", kommentiert Finanzminister Lindner das säuerlich. "Sie erhält mehr als geplant. Und deswegen wundere ich mich über die öffentliche Debatte."
Während sich der Finanzminister über die Debatte wundert, ist die Opposition erstaunt über seine Finanzplanung. Denn bei der Verteidigung tut sich in den kommenden Jahren eine immer größere Lücke auf. 2028 fehlen dort 28 Milliarden Euro, um das NATO-Ziel von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erreichen.
Die Baustelle will die Ampel offenbar komplett der nächsten Regierung überlassen. Die CDU ist erbost. "Die Verteidigungsfähigkeit ist der große Verlierer des Entwurfes", sagt der haushaltspolitische Sprecher Christian Haase. "Die Koalition ist aufgerufen, hier nachzusteuern und nicht anderen Wünschen nachzugeben."
Kürzungen im Entwicklungsministerium
Einen Tag vor der Kabinettssitzung erklärt auch Entwicklungsministerin Svenja Schulze ihren Unmut. Sie sei nicht zufrieden mit ihrem Etat. Das habe sie in den vergangenen Wochen auch immer wieder betont. Immerhin sei es ihr gelungen, dass der Etat nochmal etwas angehoben werde, der Finanzminister habe da ganz andere Vorstellungen gehabt.
Auch das Auswärtige Amt muss Abstriche machen. Man komme damit irgendwie klar, hört man aus den Reihen.
Kein Geld für die Kindergrundsicherung?
Das Familienministerium erhält im kommenden Jahr etwa 570 Millionen Euro mehr als 2024. Zyniker in der Hauptstadt sehen darin das Ende der Kindergrundsicherung. Die sei zu teuer und werde wohl nicht mehr kommen. Das sieht man in Regierungskreisen anders: Paus habe "unter schwierigen Voraussetzungen einen erfreulichen Aufwuchs" herausverhandelt, heißt es aus dem Umfeld des Familienministeriums.
Tatsächlich soll das Kindergeld steigen, ebenso wie Kinderfreibetrag und Kindersofortzuschlag. Die Optimisten in der Koalition wollen darin einen ersten Schritt zur Kindergrundsicherung sehen. Finanzminister Lindner sagte dem ARD-Hauptstadtstudio: "Ein weiterer Schritt, also die Zusammenführung von Behörden, der ist gegenwärtig nicht etatreif. Darüber wird weiter zu sprechen, daran wird weiter zu arbeiten sein."
Bauen auf das Prinzip Hoffnung
Im Haushaltsentwurf scheint das Prinzip Hoffnung eingepreist. So sind darin Einnahmen vorgesehen aus der Wachstumsinitiative, welche die Regierung plant. Das 49-Punkte-Programm soll die Wirtschaft ankurbeln und ist als "globale Mehreinnahme" mit 14,27 Milliarden Euro aufgeführt. Auch wird davon ausgegangen, dass eine gut laufende Wirtschaft und viele Arbeitnehmer dafür sorgen, dass der Bund eine Milliarde Euro weniger an die Rentenkasse überweisen muss.
Zudem wird angenommen, dass beim Bürgergeld die Ausgaben sinken. So steht es in Einzelplan elf, dem Sozialministerium. Denn Bürgergeld-Empfänger sollen stärker mitwirken, ihnen soll mehr zugemutet werden können, beispielsweise ein dreistündiger Arbeitsweg und es soll gegen Schwarzarbeit härter vorgegangen werden.
Am Ende der vielen Zahlenkolonnen bleibt in dem Entwurf eine Lücke von 17 Milliarden Euro. Acht davon sollen zusammenkommen, indem beispielsweise Zuschüsse an Bahn und Autobahn GmbH als Darlehen vergeben werden. Solche Darlehen wären nämlich nicht relevant für die Schuldenbremsen. Ob diese Konstruktion aber rechtlich möglich ist, muss nun erstmal geprüft werden. Womöglich werde die Ukraine auch nicht alles abrufen, was zu ihrer Ertüchtigung vorgesehen sei. Es ist ein Entwurf, in dem das Wort "wenn" eine große Rolle spielt.
Jeder soll hinter dem Haushalt stehen
Wenn das Kabinett am Vormittag nun zusammenkommt, scheint es eine klare Ansage von Kanzler Scholz zu geben: Jeder soll nun dahinter stehen - und jeder auch anwesend sein. So musste Verteidigungsminister Pistorius einen Termin am Vormittag absagen, um auch am Kabinett teilnehmen zu können. Einigkeit soll wohl gezeigt werden, der Weg zum Kabinettsbeschluss war schließlich kompliziert genug.
Aus der entscheidenden Nacht, in der sich Habeck, Lindner und Scholz morgens dann gegen 5 Uhr geeinigt haben, ist zu hören, wie "extrem schwer gerungen wurde", wie "knapp" es alles war, wie man sich am Ende doch zusammengerissen habe. Es stand viel auf dem Spiel, womöglich auch ein Platzen der Ampelkoalition. Das scheint erstmal abgewendet.
Doch Unsicherheitsfaktoren bleiben, der Haushalt ist noch nicht durch den Bundestag oder auch den Bundesrat. Finanzminister Lindner erklärt die vielen rechtlichen Prüfaufträge, die man noch vor sich habe, um eine Milliardenlücke zu schließen. Außerdem seien da noch die Herbstzahlen zur wirtschaftlichen Entwicklung, die Steuerschätzung und vieles mehr, das die Haushaltsberechnungen noch beeinflussen wird.
"Wir werden auch nicht umhin kommen, über Umschichtungen im Haushalt weiter zu diskutieren", sagt Lindner dem ARD-Hauptstadtstudio. Viele Unsicherheitsfaktoren bleiben also noch. Oder ähnlich wie bei einem Marathon: Die letzten Meter könnten die schwersten sein.
17.7.2024: Kabinettsbeschluss zum Entwurf Haushalt 2025
und Finanzplan bis 2028
16.8.2024: Zuleitung an Bundestag und Bundesrat
10. bis 13.9.2024: Erste Lesung im Bundestag
27.9.2024: Erster Durchgang im Bundesrat
25.9. bis 13.11.2024: Beratungen im Haushaltsausschuss
14.11.2024: Bereinigungssitzung im Haushaltsausschuss
26. bis 29.11.2024: Zweite und dritte Lesung Bundestag
20.12.2024: Zweiter Durchgang im Bundesrat