Hitzeschutzplan vorgestellt Lauterbach will Zahl der Hitzetoten halbieren
Im Juni hatte Gesundheitsminister Lauterbach einen Hitzeschutzplan angekündigt, nun stellte er konkrete Maßnahmen vor. Unter anderem durch bessere Information soll die Zahl der hitzebedingten Sterbefälle auf unter 4.000 sinken.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will die Zahl der hitzebedingten Todesfälle in diesem Jahr unter 4.000 drücken. Dazu stellte der SPD-Politiker einen nationalen Hitzeschutzplan vor.
Dieser sei wichtig, um kurzfristig wirksam Hitzeschutz zu betreiben, sagte Lauterbach. "Langfristig wollen wir uns aber auch strukturell besser aufstellen. Dafür werden wir uns im Herbst zu einer Statuskonferenz zusammenfinden, um uns für den Sommer 2024 zu rüsten."
Nach schätzungsweise 8.000 Hitzetoten im vergangenen Jahr sei es das Ziel, die Zahl zu halbieren, sagte Lauterbach. Eine Auswertung des Robert Koch-Instituts habe ergeben, dass allein von Mitte April bis Mitte Juli etwa 1.500 Menschen an Hitzefolgen starben.
Mehr Information und gezielte Ansprache
Das neue Konzept umfasst demnach verschiedene Vorhaben in Zusammenarbeit mit dem öffentlichen Gesundheitsdienst, den Hausärzten, den Krankenhäusern, den Pflegeeinrichtungen, den Kommunen und den Ländern.
Ziel ist es, vor allem durch bessere Information und Warnungen besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen wie Ältere, Kranke, Schwangere und Kinder vor Hitze zu schützen. Unter anderem sollen die wichtigsten sechs Verhaltenstipps bei extremer Hitze in Pflege- und Gesundheitseinrichtungen aushängen.
Auf den Plakaten, deren Motiv Lauterbach vor Journalisten präsentierte, wird unter anderem zu ausreichendem Trinken, zum Aufhalten im Schatten und zum Vermeiden körperlicher Anstrengung aufgerufen. Zudem gebe es eine Hitzeservice-Website des Gesundheitsministeriums, auf der vor allem Kommunen Hinweise finden können.
Hausärzte und Krankenkassen sollen gefährdete Patienten gezielt ansprechen. So tränken etwa gerade chronisch kranke Ältere zu wenig, sagte der Vorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Markus Beier, unter anderem, weil sie etwa glaubten, bei Herzschwäche solle man nicht zu viel trinken. Hier sei Aufklärung zentral.
Warnungen über Rundfunk und NINA-App
Lauterbach verwies darauf, dass seit dem letzten Treffen bereits die Zusammenarbeit mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk verstärkt worden sei. "Der Hitzeschutz ist jetzt viel stärker integriert in das Nachrichtengeschehen", sagte der Minister. Die Warnungen werden dabei mit dem Deutschen Wetterdienst zusammen organisiert.
Angestrebt wird auch eine Warnung per SMS und über die NINA-Warnapp. Hierzu gibt es laut Lauterbach Gespräche mit dem Bundesinnenministerium. Warnungen auf diesen Wegen sollten aber nur bei "extremen" Hitzeereignissen erfolgen.
Vorbild Frankreich
Lauterbach hatte den nationalen Hitzeschutzplan im Juni angekündigt. Der Minister traf sich am Freitag nochmals mit Vertretern von Pflege, Ärzteschaft, Kommunen, Ländern, Sozialverbänden sowie Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis. Bei dem Treffen sei der Hitzeschutzplan verabschiedet worden, sagte Lauterbach.
Im engen Austausch sei man auch mit den französischen Behörden. Bereits zuvor hatte Lauterbach Frankreich als Vorbild für einen Hitzeschutzplan genannt. Im Nachbarland gibt es vier Warnstufen. In der höchsten sollen Kommunen den Zugang zu Schwimmbädern und Stränden erleichtern, Wasser verteilen oder den Sportunterricht an Schulen streichen.
Die Pläne entsprächen "zu 80 Prozent dem, was in Frankreich erfolgreich gemacht wird", sagte Lauterbach. An weiteren Maßnahmen werde gearbeitet.
Sozialverband lobt Pläne
Der Sozialverband Deutschland (SoVD) begrüßte den Hitzeschutzplan. Der Klimawandel sei eine Tatsache, seine Folgen seien auch durch immer heißere Sommer zu spüren. Nun sei es wichtig, Hitzeschutzpläne und Empfehlungen auch in der Praxis gezielt umzusetzen, sagte die SoVD-Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier den Zeitungen der Mediengruppe Bayern. Dafür sei "gute Zusammenarbeit und Vernetzung zwischen den Akteuren" unerlässlich.
Aus der Union kam Kritik an Lauterbachs Kommunikation zum Hitzeschutzplan. Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Tino Sorge (CDU) sagte, der "Alarmismus", den Lauterbach an den Tag lege, sei "nicht angemessen". Die große Mehrheit der Bevölkerung fühle sich "längst gut darüber informiert, wie man mit Hitze umgehen kann". Der "gesunde Menschenverstand" solle die Richtschnur im gesellschaftlichen Umgang mit zunehmender Hitze in Deutschland sein, erklärte Sorge weiter.
BfS-Chefin fordert Schutz vor UV-Belastung
Die Präsidentin des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS), Inge Paulini, rief unterdessen erneut zu einem stärkeren Schutz der Bevölkerung vor UV-Strahlung auf. Menschen in Deutschland seien "mit dem Fortschreiten des Klimawandels verstärkt UV-Strahlung ausgesetzt", sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Daher müssten Hitzeschutz und Schutz vor UV-Belastung zusammengedacht werden.
Konkret forderte Paulini "grüne Inseln" in Städten, die zudem zum Klimaschutz beitrügen und hilfreich für die Biodiversität seien. Raumgestaltung und Aktivitäten in Schulen und Kindertagesstätten müssten auf den Prüfstand. "Welche Veranstaltungen müssen wirklich in der heißen, strahlenintensiven Mittagszeit sein? Der Sportunterricht in der prallen Sonne sollte dringend überdacht werden", sagte Paulini.
Veranstaltungen und Unterricht im Freien sollten demnach besser früher oder später am Tag stattfinden. Hilfreich könnten auch Sonnencremespender im öffentlichen Raum sein - wie etwa an der niederländischen Nordseeküste.
Bayern will mehr Geld
Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) forderte zusätzliche Finanzmittel vom Bund zur Finanzierung zusätzlicher Hitzeschutzmaßnahmen.
Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte der CSU-Politiker, keinesfalls dürfe der Bund Maßnahmen beschließen, deren Umsetzung die "ohnehin schon klammen Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und Kommunen vor weitere Probleme stellt". Gesundheitsschutz und Klimaschutz gingen Hand in Hand. "Das muss es der Bundesregierung wert sein", ergänzte Holetschek.