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Reaktionen auf Tat in München Entsetzen und harte Forderungen
Zehn Tage vor der Bundestagswahl erschüttert ein weiterer mutmaßlicher Anschlag das Land. Die Politik reagiert mit Bestürzung, Anteilnahme und Forderungen nach Konsequenzen. Es gibt aber auch Aufrufe zu Besonnenheit.
Nach dem mutmaßlichen Anschlag in München durch einen 24-jährigen Asylbewerber aus Afghanistan hat Bundeskanzler Olaf Scholz eine konsequente Bestrafung und die anschließende Abschiebung des Attentäters gefordert. Es müsse ganz klar sein, "dass die Justiz mit all ihren Möglichkeiten hart vorgeht gegen diesen Täter", sagte der SPD-Politiker am Rande einer Veranstaltung in Fürth.
Eine Tat wie in München dürfe weder geduldet noch hingenommen werden. Scholz nannte die Tat einen "furchtbaren Anschlag" und wünschte den Verletzten eine vollständige Genesung.
Scholz verweist auf Abschiebeflüge
Scholz sagte: "Wer Straftaten in Deutschland begeht, wird nicht nur hart bestraft und muss ins Gefängnis, sondern er muss auch damit rechnen, dass er seinen Aufenthalt in Deutschland nicht fortsetzen kann." Das gelte auch für Menschen aus Ländern, in die Rückführungen schwierig seien.
Er verwies darauf, dass die Bundesregierung weitere Abschiebeflüge nach Afghanistan für schwerkriminelle Straftäter plane. "So wird es dann auch für diesen Täter sein, wenn es am Ende entschieden ist von den Gerichten", fügte der Kanzler hinzu.
Auto fährt in Demonstrationszug
Am Vormittag war in der Münchner Innenstadt ein Mann mit einem Auto am Stiglmaierplatz in eine Menschenmenge gerast. Bei der Attacke auf einen Demonstrationszug der Gewerkschaft ver.di wurden nach Polizeiangaben mindestens 28 Menschen teils schwer verletzt.
Bei dem Fahrer des Wagens handele es sich um einen Asylbewerber aus Afghanistan. Entgegen ersten anderslautenden Informationen hielt er sich rechtmäßig in München auf. Der Täter sei als minderjähriger Flüchtling nach Deutschland gekommen, habe jetzt aber eine Aufenthaltsgenehmigung, so Bayerns Innenminister Joachim Herrmann im BR.
"Was ich heute Mittag noch nicht wusste, ist (...), dass die Landeshauptstadt München dann 2021 eine entsprechende zunächst Duldung und dann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt hat. Er hat sich als insofern rechtmäßig in München aufgehalten. Und hat dann auch zeitweilig eine Ausbildung gemacht. Und dann war er als Ladendetektiv tätig, ist also auch einer konkreten Beschäftigung nachgegangen. Insofern war die zeitweilige Mutmaßung, er wäre ausreisepflichtig gewesen und hätte abgeschoben werden sollen, nicht richtig. Er hatte eine Aufenthaltserlaubnis der Landeshauptstadt München und war insofern rechtmäßig in München."
Auf die Frage, ob es bei dem Anschlag ein islamistisches Motiv gibt, sagte der bayerische Innenminister: "Wir wissen es bislang nicht. (...) Bislang jedenfalls liegen mir noch keine konkreten Ergebnisse dazu vor, die jetzt schon belegen würden, dass er ja eine besonders extremistische islamistische Gesinnung hat. Wir können es aber auch nicht ausschließen.
Die Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus bei der Generalstaatsanwaltschaft München habe die Ermittlungen übernommen. Einem Bericht der Nachrichtenagentur dpa zufolge soll der Verdächtige vor der Tat einen mutmaßlich islamistischen Post in sozialen Netzwerken geteilt haben. Der Spiegel hatte zuvor von entsprechenden Beiträgen des Verdächtigen geschrieben.
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Das Auto fuhr am Stiglmaierplatz im Bereich der Kreuzung zwischen Dachauer Straße und Seidlstraße in die Menschenmenge.
Faeser fordert "maximale Härte" des Rechtsstaats
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) kündigte angesichts der Tat die "maximale Härte" des Rechtsstaats an: "Wir haben die Gesetze für die Ausweisung von Gewalttätern und für mehr Abschiebungen massiv verschärft, jetzt müssen sie mit aller Konsequenz durchgesetzt werden." Als einziger Staat in Europa schiebe Deutschland "trotz der Taliban-Herrschaft wieder nach Afghanistan ab" und werde das weiter tun, ergänzte Faeser.
Justizminister Volker Wissing (parteilos) erklärte: "Sollte sich der Verdacht erhärten, wird unser Rechtsstaat den mutmaßlichen Täter zur Rechenschaft ziehen. Auch über politische Konsequenzen müssen wir weiter diskutieren." Er rufe aber "gerade in diesen Zeiten intensiver Debatte" zur Besonnenheit auf.
Die Bundesregierung hatte nach dem mutmaßlich islamistisch motivierten Anschlag auf ein Stadtfest in Solingen im letzten Sommer ein Sicherheitspaket beschlossen. Dieses enthielt Verschärfungen im Aufenthalts - und Waffenrecht sowie mehr Befugnissen für die Sicherheitsbehörden. Ein Teil der Reformen wurde im Bundesrat allerdings gestoppt. CDU und CSU wollten weitreichendere Änderungen.
Merz: Es muss sich etwas ändern
Die Union erneuerte vor dem Hintergrund der Tat in München nun ihre Forderung nach strengeren Regeln. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) schrieb auf X: "Wir reagieren besonnen, aber unsere Entschlossenheit wächst." In Deutschland müsse sich etwas ändern, "und zwar rasch". Man könne nicht weiter "von Anschlag zu Anschlag" zusehen. "Es schmerzt einfach, wenn man als Ministerpräsident im Januar ein Ereignis wie in Aschaffenburg hat, und jetzt wie hier in München - es reicht einfach."
Söder schrieb von einem "schweren Anschlag" in München. Zuvor hatte er mit Innenminister Herrmann und Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter den Ort der Tat besucht und vor einem "mutmaßlichen Anschlag" gesprochen. Der Ministerpräsident drückte den Betroffenen sein Mitgefühl aus. "Wir fühlen mit den Opfern und beten für sie. Wir hoffen, dass es alle schaffen und wieder gesund werden können." Die Polizei habe entschlossen gehandelt und Schlimmeres verhindert.
Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz kündigte mit Blick auf die bevorstehende Wahl an: "Die Sicherheit der Menschen in Deutschland wird für uns an erster Stelle stehen. Wir werden Recht und Ordnung konsequent durchsetzen", so Merz auf der Plattform X. Auch er forderte, es müsse sich etwas ändern in Deutschland. Der CDU-Chef sprach von "furchtbaren Nachrichten" aus München. Seine Gedanken seien bei den Opfern und ihren Familien.
Habeck: "Umfassende Sicherheitsoffensive" notwendig
Vizekanzler und Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck forderte eine schnelle Aufklärung der Hintergründe. "Ich bin entsetzt angesichts dieser sinnlosen Tat", schrieb der grüne Kanzlerkandidat ebenfalls bei X. Er sei in Gedanken "zuallererst bei den Verletzten". In einer ausführlicheren Stellungnahme betonte er, dass die Aufklärung der Tathintergründe "jetzt allergrößte Priorität" haben müsse.
So müsse beispielsweise geklärt werden, wodurch der Tatverdächtige den Behörden bislang aufgefallen sei und ob es einen islamistischen Hintergrund gegeben habe, sagte Habeck. "Auch, ob es Parallelen mit den anderen Taten gibt und ob sich daraus Erkenntnisse für mehr Sicherheit ableiten lassen." Die Tat zeige, wie notwendig eine "umfassende Sicherheitsoffensive" sei, die die bekannten Defizite schließe, bekräftigte der Grünen-Politiker.
FDP-Chef Christian Lindner schrieb, der mutmaßliche Angriff folge "wieder einem Muster". "Was zu tun ist, liegt auf der Hand und wurde vielfach diskutiert." Wer nicht bereit sei zu handeln, "darf keine Verantwortung für unser Land tragen". Die Linken-Spitzenkandidatin Heidi Reichinnek gab sich bei X "entsetzt und schockiert", Co-Parteichef Jan van Aken schrieb bei dem Onlinedienst, er sei "sehr betroffen".
AfD bekräftigt Forderung nach "Migrationswende"
Im Redaktionsnetzwerk Deutschland forderte BSW-Chefin Sahra Wagenknecht konsequentere Abschiebungen nach Afghanistan. Die Bekämpfung von Verbrechen wie dem in München sei "nur möglich, wenn wir die unkontrollierte Migration beenden und diejenigen konsequent abschieben, die eine Gefahr für unser Land und die Menschen in Deutschland sind".
Die AfD bekräftigte nach dem mutmaßlichen Anschlag ihre Forderung nach einer "Migrationswende" in Deutschland. "Soll das immer so weitergehen?", schrieb Parteichefin Alice Weidel bei X. "München, Aschaffenburg, Magdeburg, Solingen, Mannheim & viele andere Tatorte zeigen: Wir brauchen eine Migrationswende - und wir brauchen sie sofort!".
Bestürzung bei ver.di über mutmaßlichen Anschlag auf Demo
Ver.di zeigte sich erschüttert von der Tat in München. "Wir sind zutiefst bestürzt und schockiert über den schwerwiegenden Vorfall während eines friedlichen Demonstrationszuges von ver.di-Kolleginnen und -Kollegen", sagte der Vorsitzende Frank Werneke. Laut des Münchner Oberbürgermeisters Dieter Reiter hatten sich auch einige seiner Kolleginnen und Kollegen aus der Stadtverwaltung an der Demonstration beteiligt. "Ich hoffe, dass alle überleben werden", sagte der SPD-Politiker. Ver.di hatte bundesweit zu einem Großstreiktag im öffentlichen Dienst aufgerufen. Auch in anderen Städten wurde gestreikt. Die Kundgebungen seien aus Respekt vor dem Geschehenen und den betroffenen Personen abgebrochen worden, teilte die Gewerkschaft mit.
Flüchtlingsrat ruft zu besonnenen Reaktionen auf
Auch Vertreter der beiden großen christlichen Kirchen in Deutschland zeigten sich "erschüttert" von dem "furchtbaren Verbrechen, das heute in München verübt wurde". Menschen seien "auf grausame Art verletzt und so aus ihrem Leben gerissen worden", erklärten gemeinsam die EKD-Ratsvorsitzende Kirsten Fehrs und Bischof Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. Münchens katholischer Erzbischof, Kardinal Reinhard Marx, zeigte sich "tief bestürzt" von dem Geschehen. Menschen seien im öffentlichen Raum "Opfer von willkürlicher Gewalt" geworden.
Der Bayerische Flüchtlingsrat warnte zudem vor vereinfachenden Schlüssen aus der Tat. In einer Stellungnahme äußerte er die Befürchtung, dass "dieses tragische Ereignis" für rassistische Hetze missbraucht werden könnte. "Wir warnen davor, einen direkten Zusammenhang zwischen Gewalt und Herkunft herzustellen. Diese Rhetorik ist gefährlich und führt nur zu mehr Angst und gesellschaftlicher Spaltung."
Der Flüchtlingsrat appellierte an Politik, Medien und Zivilgesellschaft, besonnen zu reagieren. Gewaltverbrechen dürften nicht für politische Stimmungsmache oder den Wahlkampf missbraucht werden.
Mit Informationen von Dietrich Karl Mäurer, ARD Hauptstadtstudio