Bundestagswahl 2025
![Geflüchtete verlassen die Landesaufnahmebehörde Niedersachsen am Standort Braunschweig. | dpa Geflüchtete verlassen die Landesaufnahmebehörde Niedersachsen am Standort Braunschweig.](https://images.tagesschau.de/image/88e81ad7-f3fa-4878-85b2-2cf394bd9227/AAABi6N3mIE/AAABkZLrr6A/original/gefluechtete-116.jpg)
Bundestagswahl 2025 Wahlkampfthema Migration - was wollen die Parteien?
Das Thema Migration beherrscht den Bundestagswahlkampf wie kein anderes. Wie stehen die Parteien zu Zurückweisungen an der Grenze, Bezahlkarte und Migrationsabkommen mit Drittstaaten?
Er wolle keinen Migrationswahlkampf führen, sagte der Kanzlerkandidat der Union, Friedrich Merz, noch im Oktober. Doch dann kam es anders: Nach dem Messerangriff in Aschaffenburg brachte die Union zwei Anträge und einen Gesetzentwurf in den Bundestag ein, um die Migrationspolitik noch vor der Bundestagswahl zu verändern. Der Antrag auf einen Fünf-Punkte-Plan zur Migration kam mit den Stimmen von Union, FDP und AfD durch, der zweite Antrag und der Gesetzentwurf scheiterten.
Fernab von diesen schrillen Tönen haben alle Parteien in ihrem Wahlprogrammen eigene Schwerpunkte zum Thema Migration und Asyl gesetzt - von Asylverfahren in Drittstaaten über die Bezahlkarte bis hin zum Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte. Subsidiär Schutzberechtigte sind Menschen, die zwar nicht persönlich verfolgt werden, denen aber in ihrer Heimat ein ernsthafter Schaden droht, etwa durch willkürliche Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konflikts. Viele Syrer sind subsidiär schutzberechtigt.
SPD
Immer wieder steht die Dauer von Asylverfahren in der Kritik. Die SPD will sich dafür einsetzen, sowohl die Verfahren beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) als auch die bei den Gerichten zu beschleunigen. Asylentscheidungen sollen "innerhalb von sechs Monaten" getroffen werden - wobei unklar bleibt, ob dieses Ziel nur das Verfahren beim BAMF oder auch eine anschließende gerichtliche Entscheidung einbezieht. Für die Verfahren bei den Gerichten sind die Bundesländer zuständig. Das behördliche Verfahren beim BAMF dauerte 2024 im Schnitt 8,7 Monate.
Die SPD verspricht außerdem, sich für umfassende Migrationsabkommen zu engagieren, "die Zuwanderung in Ausbildung und Arbeit eröffnen" - und gleichzeitig feste Vereinbarungen darüber enthalten, dass Länder ihre Staatsangehörigen, die ausreisen müssen, wieder zurücknehmen. Denn auch daran scheitern Abschiebungen immer wieder.
Integrationskurse will die SPD ausbauen und sicherstellen, dass diese mit angemessenen Haushaltsmitteln finanziert werden. Anders als Union und FDP will die SPD einen Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte beibehalten, weil dies eine entscheidende Voraussetzung für eine gelungene Integration sei.
Eine Auslagerung von Asylverfahren in Staaten außerhalb der EU lehnt die SPD ab. Sie setzt sich für die Fortführung von freiwilligen Aufnahmeprogrammen ein - wie etwa das Bundesaufnahmeprogramm für besonders gefährdete Personen aus Afghanistan.
CDU/CSU
Einen "faktischen Aufnahmestopp" will die Union "sofort" durchsetzen, indem an der deutschen Grenze jeder zurückgewiesen wird, der aus einem anderen EU-Staat einreist, auch wenn er um Asyl bittet. Es gibt Zweifel daran, dass die europarechtlichen Voraussetzungen für ein solches Vorgehen vorliegen. Dafür sollen die Kontrollen, die derzeit - ausnahmsweise - an allen deutschen Grenzen stattfinden, verlängert werden.
Die Möglichkeit eines Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten will die Union aussetzen und Aufnahmeprogramme beenden. Auf europäischer Ebene will sie darauf hinwirken, dass der subsidiäre Schutz ganz abgeschafft wird.
Bezahlkarten für Geflüchtete sollen flächendeckend und "restriktiv" eingeführt werden. Mit diesen Bezahlkarten soll verhindert werden, dass Asylbewerber einen Teil der Sozialleistungen in ihre Heimatländer überweisen oder damit Schleuser bezahlen. Die Ampelkoalition hatte die rechtliche Grundlage für solche Karten geschaffen. Umsetzen müssen das die Bundesländer. Unterschiedliche Auffassungen gibt es darüber, wie viel Bargeld Asylbewerber abheben können sollen, um am täglichen Leben teilnehmen zu können.
Ausreisepflichtige sollen nur noch die nötigsten Sozialleistungen bekommen und "wo immer möglich" gar keine mehr. Ukrainerinnen und Ukrainer sollen kein Bürgergeld mehr bekommen, sondern stattdessen die etwas geringeren Asylbewerberleistungen.
Nach Afghanistan und Syrien will die Union regelmäßig abschieben, vor allem Straftäter und Gefährder. Die Union will Asylverfahren außerdem in Staaten außerhalb der EU auslagern. Der Gedanke dahinter: Es ergebe dann keinen Sinn mehr, sich überhaupt auf den Weg nach Europa zu machen.
Schutzbedürftige wollen CDU und CSU trotzdem auch in Deutschland aufnehmen, allerdings nur im Rahmen eines jährlichen Kontingents. Wie groß das sein soll, präzisieren sie in ihrem Wahlprogramm nicht.
Die Möglichkeit einer Einbürgerung nach drei Jahren und die generelle Möglichkeit einer doppelten Staatsbürgerschaft lehnt die Union ab. Die Ampel-Reform des Staatsangehörigkeitsrechts will sie deshalb rückgängig machen.
Bündnis 90/Die Grünen
Die Grünen sprechen sich dafür aus, das Grundrecht auf Asyl ebenso beizubehalten wie internationale Verpflichtungen nach der Genfer Flüchtlingskonvention, zum subsidiären Schutz und nach der Europäischen Menschenrechtskonvention.
Einen Familiennachzug wollen sie weiterhin ermöglichen und ausweiten. Für besonders gefährdete Gruppen wollen sie humanitäre Aufnahmeprogramme unterstützen. Dabei verweisen sie insbesondere auf eine Verantwortung für afghanische Ortskräfte, die wegen ihrer Arbeit für die Bundesregierung besonderen Risiken ausgesetzt sind.
In Kriegs- und Krisengebiete wollen die Grünen nicht abschieben und sprechen sich gegen Rückführungsvereinbarungen mit den Taliban aus, da diese dadurch "politisch legitimiert" würden.
Die Grünen sind für eine dezentrale Unterbringung von Asylsuchenden. Wer arbeiten kann, soll arbeiten dürfen - noch bestehende Arbeitsverbote sollen abgeschafft werden. Sprach- und Integrationskurse ausreichend finanziert werden.
Die Bezahlkarte soll ohne "unangemessene Bargeldobergrenzen" ausgestaltet sein - wie zum Beispiel in Hannover. Der grüne Oberbürgermeister hatte dort bereits im Dezember 2023 eine Karte ohne Bargeldbeschränkung eingeführt. Mittlerweile gibt es allerdings für ganz Niedersachsen ein neues System, das nur Bargeldabhebungen von 50 Euro vorsieht.
Die Grünen sind gegen eine Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten. Es habe sich immer wieder gezeigt, dass diese Initiativen am Ende viel Steuergeld kosteten und vor Gerichten scheiterten. Die Grünen beziehen sich dabei auf die Schwierigkeiten bei der Umsetzung entsprechender Abkommen zwischen Großbritannien und Ruanda sowie zwischen Italien und Albanien. Stattdessen sollte die Bundesregierung auf Migrationsabkommen setzen.
FDP
Die FDP setzt sich für ein Einwanderungsgesetzbuch ein, in dem alle Regeln für Einwanderung und Asyl gebündelt werden. Bislang verteilt sich das Migrationsrecht auf verschiedene Gesetze.
Für Asylbewerber, die "gut integriert" sind, soll ein "Spurwechsel" möglich sein: Sie sollen statt Asyl zu beantragen, ein Aufenthaltsrecht für die Arbeitssuche bekommen können, "wenn sie so qualifiziert sind, dass sie und ihre Familien von eigener Arbeit ohne Transferleistungen leben können".
Die Liberalen wollen außerdem einen neuen sozialrechtlichen Status für anerkannte Flüchtlinge einführen, auch für Ukrainer: geringere Sozialleistungen als nach dem Bürgergeld, dafür stärkere Unterstützung bei der Jobsuche.
Generell fordert die FDP mehr Sach- statt Geldleistungen und eine flächendeckende Einführung der Bezahlkarte "ohne unnötige Ausnahmen". Letzteres liegt derzeit in den Händen der Bundesländer.
"Wer rechtskräftig und vollziehbar ausreisepflichtig ist und eine zumutbare Möglichkeit hat, Deutschland zu verlassen", soll in der Regel keine staatliche Unterstützung mehr erhalten. Wer aktiv behindert, dass seine Identität festgestellt werden kann, soll ebenfalls keine Sozialleistungen mehr bekommen. Hintergrund ist, dass Asylbewerber nicht immer gültige Ausweisdokumente haben. Für das Asylverfahren muss aber etwa klar sein, woher sie kommen und wie alt sie sind. Perspektivisch setzt sich die FDP dafür ein, die Höhe der Asylbewerberleistungen europäisch zu vereinheitlichen.
Für Abschiebungen soll künftig der Bund an Stelle der Bundesländer zuständig sein. Die Liberalen sprechen sich außerdem dafür aus, Asylverfahren in Drittstaaten auszulagern.
Wie die Union fordern sie, den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte sowie Aufnahmeprogramme zu beenden. Bei der Zurückweisung von Asylsuchenden an den deutschen Grenzen sind die Liberalen etwas zurückhaltender als die Union. Sie fordern lediglich eine "modellhafte Erprobung".
AfD
Die AfD fasst ihre migrationspolitischen Forderungen unter dem Kampfbegriff "Remigration" zusammen. Der Begriff steht bei Rechtsextremisten dafür, Menschen mit Migrationshintergrund im Zweifel mit Druck zur Ausreise aus Deutschland zu bringen. Die AfD fasst in ihrem Wahlprogramm darunter "konsequente Abschiebungen" und die Abschaffung von Duldungen für Ausreisepflichtige. Einbürgerungen sollen nur noch bei "bester Integrationsleistung" nach frühestens zehn Jahren möglich sein.
Ein "großes Remigrationspotential" sieht die AfD etwa darin, den Schutzstatus von Syrern zu widerrufen und mit der syrischen Regierung über ihre Rückkehr zu verhandeln.
Auf Herkunftsstaaten will die AfD "massiven Druck" ausüben, wenn diese ihre Staatsangehörigen nicht zurücknehmen wollen - etwa mit Wirtschaftssanktionen, einer Aussetzung der Entwicklungshilfe und dem Pausieren von Visaerleichterungen.
Die AfD will sich nicht länger an einer gemeinsamen europäischen Asylpolitik beteiligen und alle Menschen ohne Dokumente an den deutschen Grenzen zurückweisen. Generell setzt sich die AfD dafür ein, Asylverfahren in andere Länder auszulagern. Die zivile Seenotrettung wollen sie nicht mehr fördern.
Das individuelle Asylrecht, das derzeit im Grundgesetz festgeschrieben ist, wollen sie entweder von einem individuellen Anspruch in eine "institutionelle Garantie" umwandeln oder in einem einfachen Gesetz regeln. Den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte will sie abschaffen. Die AfD ist gegen pauschale Kontingente und Aufnahmeprogramme wie das für afghanische Ortskräfte.
Asylbewerber sollen in zentralen Aufnahmeeinrichtungen leben und möglichst nur noch Sachleistungen bekommen. Ausreisepflichtige nur noch ein "menschenwürdiges Existenzminimum".
Asylbewerber und Menschen, deren Asylanträge abgelehnt worden sind, sollen keine Arbeitserlaubnis bekommen. Sie sollen aber zu gemeinnütziger Arbeit verpflichtet werden. Gleichzeitig will die AfD Asylbewerbern, die eine Arbeitsgelegenheit ablehnen, die Sozialleistungen kürzen.
Die deutsche Staatsangehörigkeit soll es nur noch durch Geburt geben, wenn mindestens ein Elternteil deutsch ist, und im Einzelfall, wenn nach dem Ermessen der Behörde das Gemeinwohl durch "Hinzufügung eines loyalen Neubürgers gestärkt" wird.
Die Linke
Vieles der Migrationspolitik der vergangenen Jahre lehnen die Linken ab, etwa ein Migrationsabkommen mit der Türkei, die Reform des Europäischen Asylsystems (GEAS) und ganz generell "alle bisherigen Asylrechtsverschärfungen". Sie sind außerdem gegen eine Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten. Systematische Grenzkontrollen und Zurückweisung von Schutzsuchenden an den Grenzen halten sie für unzulässig.
Die Linkspartei spricht sich außerdem gegen Bezahlkarten und Sachleistungen für Asylbewerber aus. Stattdessen soll Geld ausgezahlt werden - in Höhe "der solidarischen Mindestsicherung für alle Menschen". Geflüchtete sollen ab dem Tag ihrer Ankunft in Deutschland uneingeschränkt arbeiten dürfen.
Die Unterbringung von Geflüchteten will die Partei dezentral in Wohnungen organisieren. Nach dem Asylgesetz sind Asylbewerber derzeit in der Regel dazu verpflichtet, in einer Erstaufnahmeeinrichtung zu wohnen, bis über ihren Asylantrag entschieden worden ist, maximal jedoch 18 Monate lang. Die Kosten für die Unterbringung soll vollständig der Bund mit einer Pro-Kopf-Pauschale übernehmen. Eine Diskussion darüber war in den vergangenen Jahren immer wieder Gegenstand von Bund-Ländern-Treffen.
Die Linkspartei setzt sich außerdem dafür ein, dass Klima- und Umweltfolgeschäden sowie Armut als Fluchtgründe anerkannt werden. Aus ihrer Sicht braucht es umfassende Aufnahmekontingente für Schutzsuchende. Frontex soll durch ein ziviles europäisches Seenotrettungsprogramm ersetzt werden.
Das Staatsangehörigkeitsrecht wollen die Linken stärker reformieren, als es die Ampelkoalition zuletzt getan hatte: Wer in Deutschland geboren wird, soll automatisch die Staatsangehörigkeit bekommen. Für eine Einbürgerung soll es ausreichen, fünf Jahre in Deutschland gelebt zu haben. Unabhängig von der Staatsbürgerschaft sollen Menschen, die langfristig in Deutschland leben, hier wählen dürfen.
BSW
Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) will, dass Menschen, die aus einem sicheren Drittstaat einreisen, in Deutschland keinen Anspruch auf ein Asylverfahren und auf Sozialleistungen haben. Zurückweisungen an den Grenzen wie sie die Union durchsetzen will fordert das BSW in seinem Wahlprogramm nicht ausdrücklich. Wohl aber, dass Menschen aus sicheren Drittstaaten kein Aufenthaltsrecht bekommen sollen.
Geflüchtete sollen nach schweren Straftaten ihren Anspruch auf ein Asylverfahren verlieren. Der Schutz vor Abschiebung soll auf Fälle begrenzt werden, in denen klare Indizien vorliegen, dass dem Betroffenen im Herkunftsstaat die Todesstrafe droht. Zuwanderer, die "in schwerer Weise mit dem Gesetz in Konflikt kommen", sollen ausgewiesen und nötigenfalls abgeschoben werden. Entsprechende Behörden- und Gerichtsverfahren sollen vorrangig und zügig betrieben werden.
Das BSW fordert, dass Asylverfahren "im Normalfall in drei Monaten" abgeschlossen werden. Dabei bezieht sich die Partei auf das behördliche und das gerichtliche Verfahren. Ausländerbehörden und Gerichte sollen sich bei Abschiebungen vorrangig auf die Asylbewerber konzentrieren, die noch nicht integriert sind oder sich gar nicht integrieren wollen.
Auch das BSW setzt sich für eine Auslagerung von Asylverfahren in Staaten außerhalb der EU ein. Das BSW will den sogenannten Globalen Migrationspakt "schnellstmöglich aufkündigen", weil dieser Deutschland "zur Förderung internationaler Migrationsbewegungen" verpflichte. Es geht dabei um eine rechtlich nicht bindende Vereinbarung der Vereinten Nationen von 2018. Die Staaten nehmen sich darin vor, Migration humaner zu gestalten und die Hauptursachen für irreguläre Migration zu beheben, etwa durch eine Verbesserung der Lebensbedingungen in den Herkunftsländern.
Der richtige Weg dafür ist aus BSW-Sicht die Aufhebung von Wirtschaftssanktionen, etwa gegenüber Afghanistan, Syrien, Irak und Libyen. Außerdem müssten humanitäre Organisationen wie der UNHCR stärker finanziell unterstützt werden, damit Flüchtlingen in Krisensituationen vor Ort geholfen werden könne.