Bundestagswahl 2025

Ein Polizeiauto fährt durch eine Straße in Gelsenkirchen, in der es am Morgen zu einem Polizeieinsatz im Zusammenhang mit der Razzia gegen ein Schleuser-Netzwerk kam.

Bundestagswahl 2025 Wie die Parteien Deutschland sicherer machen wollen

Stand: 06.02.2025 09:14 Uhr

Wie sollen Polizei und Sicherheitsbehörden arbeiten, um Kriminalität zu bekämpfen? In den Wahlprogrammen haben die Parteien dazu viele Ideen - von Tasern über elektronische Fußfesseln bis hin zur Vorratsdatenspeicherung.

Von Claudia Kornmeier, ARD-Hauptstadtstudio

Mehr und modernere Befugnisse für die Sicherheitsbehörden - das war schon während der Ampelkoalition Thema. Etwa bei den Verhandlungen über das Sicherheitspaket, das teilweise an den Stimmen der Union im Bundesrat gescheitert ist.

Inhaltlich liegen dabei SPD und Union näher beieinander als etwa Union und FDP. Letztere befindet sich eher auf einer Linie mit den Grünen. Übereinstimmungen sind aber auch zwischen Union und AfD zu finden. Zum Beispiel, wenn es darum geht, für wen das Jugendstrafrecht gelten soll.

SPD

Die SPD verspricht ein "modernes Bundespolizeigesetz", das "klare Befugnisse" regelt, "um den heutigen sicherheitspolitischen Herausforderungen wirksam zu begegnen".

Bundeskriminalamt und Bundespolizei sollen Befugnisse zur automatisierten Datenanalyse mithilfe von Künstlicher Intelligenz bekommen. Das hatte die zerbrochene Ampelkoalition bereits im Rahmen des sogenannten Sicherheitspakets vorgeschlagen - dieser Teil des Pakets war an den Unions-geführten Bundesländern und am Grün-geführten Baden-Württemberg im Bundesrat gescheitert.

Um Frauen besser vor Gewalt zu schützen, wollen die Sozialdemokraten Maßnahmen wie elektronische Fußfesseln und verpflichtende Anti-Gewalt-Trainings für Täter einführen. Entsprechende Vorschläge hatte die Bundesregierung nach dem Ampel-Aus noch vorgelegt, aber im Bundestag dafür keine Mehrheit mehr gefunden.

Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) will die SPD zur Zentralstelle ausbauen. Das wollte bereits Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Die SPD-Politikerin ist damit jedoch am Widerstand einiger Bundesländer gescheitert. Deren Zustimmung braucht es, weil dafür eine Grundgesetzänderung nötig ist.

Ein klares Bekenntnis zur IP-Adressenspeicherung findet sich in dem Wahlprogramm der SPD nicht. Dabei hatten Bundesinnenministerin Faeser und führende SPD-Innen- und -Rechtspolitiker diese in den vergangenen Monaten immer wieder gefordert.

 

CDU/CSU

Die Union setzt sich ein für einen Ausbau der Videoüberwachung an öffentlichen Gefahrenorten und eine automatisierte Gesichtserkennung an Bahnhöfen, Flughäfen und anderen Kriminalitätsschwerpunkten zur Identifizierung schwerer Straftäter.

Sie schlägt außerdem Strafrechtsverschärfungen vor - zum Beispiel höhere Strafen für Stalking, Körperverletzungen mit Messern und Gruppenvergewaltigungen. Um Frauen besser vor Gewalt zu schützen, will die Union - wie die SPD - elektronische Fußfesseln für Täter verstärkt einsetzen.

Für Heranwachsende zwischen 18 und 21 Jahren soll das allgemeine Strafrecht gelten. Bislang können die Gerichte abhängig von der geistigen Entwicklung des Heranwachsenden entscheiden, ob sie Jugendstrafrecht anwenden. Die Union stellt außerdem infrage, ob es noch angemessen ist, dass Kinder unter 14 Jahre strafrechtlich nicht belangt werden können.

Die Union will Anbieter zur Speicherung von IP-Adressen verpflichten. Es geht ihr dabei um die Aufklärung und Verhinderung von Sexualstraftaten gegen Kinder und Terroranschläge. Daneben fordert sie eine Reihe weiterer Befugnisse: Quellen-Telekommunikationsüberwachung, Online-Durchsuchung und automatische Datenanalyse.

Polizisten sollen flächendeckend mit Tasern und Bodycams ausgestattet werden und diese auch in Wohnungen verwenden dürfen. Den von der Ampelkoalition eingeführten Polizeibeauftragten will die Union wieder abschaffen. Sie spricht sich außerdem gegen eine Kennzeichnungspflicht und Kontrollquittungen aus. Mit der Kennzeichnungspflicht sind Polizisten durch ein Namensschild oder eine Zahlenreihe identifizierbar. Jede Person, die von der Polizei kontrolliert wird, muss anlasslos eine Kontrollbescheinigung angeboten werden, auf der der Grund für die Auswahl der Person festgehalten wird. Beides hatte die Ampelkoalition vorgeschlagen, aber nicht mehr im Bundestag beschlossen.

Die Nachrichtendienste sollen die "notwendigen Befugnisse" bekommen. Welche ihnen aus Sicht der Union bislang fehlen, lässt das Wahlprogramm offen.

Wie die SPD will auch die Union das BSI zur Zentralstelle ausbauen. Die Legalisierung von Cannabis, die die Ampelkoalition durchgesetzt hatte, will die Union wieder zurücknehmen.

 

Bündnis 90/Die Grünen

Eine Modernisierung des Bundespolizeigesetzes nehmen sich auch die Grünen vor. Sie wollen dabei polizeiliche Ermittlungen im digitalen Raum stärken, machen aber die Einschränkung: Die Befugnisse müssen zielgerichtet und anlassbezogen sein. Das kann als Absage an eine Vorratsdatenspeicherung verstanden werden.

Den Waffenbesitz wollen sie für Extremisten erschweren. Sie setzen sich für eine weitere Verschärfung des Waffengesetzes ein, um die Verfügbarkeit tödlicher Schusswaffen weiter einzuschränken.

An dem Amt des Polizeibeauftragten wollen die Grünen festhalten. Sie setzen sich auch weiter für eine Kennzeichnungspflicht von Bundespolizisten ein und dafür, dass Bundespolizisten bei Kontrollen Quittungen ausstellen, in denen die Gründe für die Kontrolle dargelegt werden.

Härtere Strafen wollen auch die Grünen - für Organisierte Kriminalität. Die Grünen wollen außerdem die Möglichkeiten verbessern, im Rahmen von Strafverfahren Vermögen einzuziehen.

Die Nachrichtendienste wollen sie mit "ausreichend Personal und Technik und mit verfassungskonformen Befugnissen" ausstatten. Präziser werden sie an der Stelle nicht.

Ein Projekt aus ihrer Regierungszeit greifen sie außerdem auf: die sogenannte Überwachungsgesamtrechnung. 2024 wurde das Max-Planck-Instituts zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht beauftragt, die tatsächlichen und rechtlichen Auswirkungen der Sicherheitsgesetze zu evaluieren. Die Ergebnisse liegen bislang nicht vor.

 

FDP

Die Liberalen betonen beim Thema Innere Sicherheit, dass sie sich dem Rechtsstaat und den Bürgerrechten verpflichtet fühlen. Aus ihrer Sicht müssen die Aufgaben zwischen Bund und Ländern neu geordnet werden. Die gesetzlichen Befugnisse für die Sicherheitsbehörden seien "unübersichtlich und unverständlich" formuliert, es brauche klarere Rechtsgrundlagen ebenso wie eine verbesserte Kontrolle der Nachrichtendienste. Derzeit sind dafür verschiedene Gremien zuständig - aus Sicht der FDP eine "zersplitterte Kontrolllandschaft", die neu geordnet werden müsse.

Eine umfassende Reform des Nachrichtendienstrechts hatten sich die Liberalen bereits während der Ampelkoalition vorgenommen. Daraus geworden ist jedoch nichts. Für das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum, in dem sich die Sicherheitsbehörden austauschen, will die FDP eine gesetzliche Grundlage schaffen.

Wie die Grünen trat auch die FDP bereits zu Regierungszeiten für eine Überwachungsgesamtrechnung ein. Sie will diese dauerhaft fortschreiben, sodass zunächst Auswirkungen auf die Bürgerrechte und die technische Realisierbarkeit geprüft werden, bevor neue Befugnisse geschaffen werden.

Generell lehnt die FDP eine flächendeckende Überwachung im öffentlichen Raum ab. Sie ist gegen Netzsperren, Chatkontrollen, Uploadfilter und Vorratsdatenspeicherung. Stattdessen halten die Liberalen an dem Quick-Freeze-Modell fest, für das sich Marco Buschmann als Bundesjustizminister eingesetzt hatte. Danach sollen Daten erst dann gespeichert werden, wenn ein Verdacht auf eine Straftat von erheblicher Bedeutung besteht.

Bei der Bekämpfung von Geldwäsche wirbt auch die FDP für eine konsequente Einziehung von Vermögen. Bei Verschärfungen des Waffenrechts war die FDP immer skeptisch und bleibt es. Sportschützen und Jäger sollen nicht unnötig belastet werden.

 

AfD

Für die AfD hängt das Thema Innere Sicherheit eng mit der Migrationspolitik zusammen. Sie fordert deshalb in diesem Zusammenhang zum Beispiel, dass ausländische Gefährder und Terroristen in Präventivhaft genommen werden sollen.

Jugendliche sollen schon ab zwölf Jahren strafmündig sein. Derzeit liegt die Grenze bei 14 Jahren. Das Jugendstrafrecht soll nur noch bis zum 18. Lebensjahr angewandt werden.

Sicherheitsbehörden sollen nicht durch politische Beamte geleitet werden. Die AfD sieht darin ein Instrument zur politischen Beeinflussung. Das Amt des Polizeibeauftragten will sie abschaffen.

Das Waffenrecht will die AfD überarbeiten. Insbesondere die durch die Ampelkoalition eingeführten Messerverbote hält sie für eine Kriminalisierung aller Bürger und für "aktionistisch". Den Linksextremismus sieht die AfD "sträflich vernachlässigt" und will das ändern.

Die AfD spricht sich gegen flächendeckende Videoüberwachung aus. Sie sieht darin eine Einschränkung der Freiheit und "bestenfalls Symptombekämpfung". Auch Vorratsdatenspeicherung und Online-Durchsuchungen lehnt sie ab.

Mit Blick auf die Bundespolizei fordert sie eine bessere Besoldung und Versorgung sowie eine Ausweitung der Zuständigkeiten bei der Durchsetzung des Aufenthaltsgesetzes, also etwa bei Abschiebungen.

Den Verfassungsschutz sieht die AfD kritisch. Die Partei wird von der Behörde als rechtsextremistischer Verdachtsfall beobachtet. Aus Sicht der AfD ist der Verfassungsschutz zum "Regierungsschutz degeneriert" und wird seinen ursprünglichen Aufgaben nicht mehr gerecht. Sie will ihn deshalb grundsätzlich reformieren. Wie genau, führt die AfD in ihrem Wahlprogramm nicht aus. Lediglich, dass Terrorabwehr und Schutz vor Spionage und Sabotage Aufgabe des Bundesnachrichtendienstes und der Polizeibehörden seien.

 

Die Linke

Die Linkspartei will den Verfassungsschutz abschaffen und durch eine "unabhängige Beobachtungsstelle zu Autoritarismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit" ersetzen. Wie genau diese Beobachtungsstelle aussehen soll, lässt die Partei in ihrem Wahlprogramm offen.

Die Linkspartei spricht sich außerdem gegen eine Reihe von Maßnahmen aus: Vorratsdatenspeicherung, Bestandsdatenauskunft und Onlinedurchsuchungen, nicht individualisierte Funkzellenabfragen, Rasterfahndung (auch per Handy), "allgegenwärtige" Videoüberwachung, "Späh- und Lauschangriffe", biometrische Videoüberwachung und Chatkontrollen.

Sie lehnt außerdem den Einsatz von Tasern und Gummigeschossen durch die Polizei ab. Den Einsatz von Pfefferspray will die Partei "massiv einschränken" und im Zusammenhang mit Demonstrationen oder anderen öffentlichen Veranstaltungen ganz verbieten.

Polizisten sollen Bürgern "individuell erkennbar gegenübertreten". Dafür fordert die Linke eine individuelle Kennzeichnungspflicht.

Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW)

Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) setzt sich für "sichtbare Polizeipräsenz" auf den Straßen ein. Bei den Befugnissen für Sicherheitsbehörden sind sie jedoch zurückhaltend: Eine Auswertung von Bestandsdaten oder ein automatisierter Datenabgleich soll nur dann erfolgen, wenn es um Extremismus, Terror oder andere "schwerste Straftaten" geht.

Die Aufgaben des Verfassungsschutzes will das BSW eingrenzen. 2021 hatte die Behörde im Zusammenhang mit aus seiner Sicht verfassungsfeindlichen Bestrebungen im Rahmen von Protesten gegen die Coronapolitik die Kategorie "Delegitimierung des Staates" eingeführt. Erfasst werden darin Akteure, die zum Beispiel Repräsentanten des Staates verächtlich machen, staatlichen Institutionen die Legitimität absprechen oder dazu aufrufen, Gerichtsentscheidungen zu ignorieren. Das BSW will diese Kategorie wieder abschaffen.

Das BSW spricht sich außerdem dafür aus, den besonderen Schutz von Politikern vor Beleidigungen wieder zu streichen. Dieser war 2021 von der damaligen Großen Koalition verschärft worden, um Menschen, die sich politisch engagieren, besser zu schützen.