Frauen halten Schilder zur Abschaffung des Paragrafen 218 bei einer Demonstration vor dem Paul-Löbe-Haus in den Händen.

Schwangerschaftsabbrüche Warum der Abtreibungsparagraf 218 bleibt

Stand: 11.02.2025 14:16 Uhr

Schwangerschaftsabbrüche sind in Deutschland rechtswidrig - und bleiben es. Ein Ende des Strafrechtsparagrafen 218 scheitert in dieser Wahlperiode. Die Gründe: Emotionen, Moral und mögliche Machtoptionen.

Von Sarah Beham, ARD-Hauptstadtstudio

Adriana Beran demonstriert vor dem Bundestag. Sie hält ein lila Plakat mit dem Spruch "Weg mit §218" in den Händen. "Weil ich selbst abgetrieben habe und weiß, wie sehr dieser Paragraf einen kriminalisiert und wie es sich anfühlt, kriminalisiert zu werden - das halte ich für falsch", sagt sie.

Im Strafgesetzbuch regelt Paragraf 218, dass Abtreibungen grundsätzlich rechtswidrig sind, unter bestimmten Voraussetzungen aber straffrei bleiben. Rückenwind erfährt Beran in einem Bündnis aus verschiedenen Organisationen. Sie alle wollen, dass der Bundestag am letzten Sitzungstag vor der Wahl über eine Reform abstimmt: Abtreibungen sollen in den ersten zwölf Wochen legalisiert werden.

Eine Reform des Abtreibungsparagrafen auf den letzten Metern wäre historisch gewesen: nach jahrzehntelangen Debatten, nach dem Bruch der Ampelkoalition. Im Kern geht es um 15 Minuten - so lange etwa dauert ein Schwangerschaftsabbruch. Diese 15 Minuten spalten das Land in zwei Lager: Befürworter und Kritiker einer Legalisierung.

Über eine Reform wird in dieser Legislatur aber nicht mehr abgestimmt. Es war ohnehin unklar, ob es eine Mehrheit für das Ende von Paragraf 218 im Bundestag gegeben hätte. Denn es geht in dieser Debatte nicht nur um Emotionen und Moral, sondern auch um Machtoptionen.

"Werbeverbot" für Abtreibungen abgeschafft

Die Ampelkoalition hatte beim Thema Abtreibungen einiges bewegt. Im Jahr 2022 wurde der umkämpfte Strafrechtsparagraf 219a abgeschafft und somit das Ende des "Werbeverbots" für Abtreibungen.

Vergangenes Jahr ein weiterer Schritt: Mit einem neuen Gesetz werden Schwangere künftig vor Abtreibungsgegnern und sogenannten "Gehsteigbelästigungen" besser geschützt - mit Schutzzonen vor Beratungsstellen und Arztpraxen. Wer sich nicht daran hält, dem droht eine Strafe von bis zu 5.000 Euro.

Auch hatte die Ampelkoalition eine Kommission zum Thema Abtreibungen eingesetzt. Das Ergebnis: Schwangerschaftsabbrüche sollen in der frühen Phase legalisiert und somit straffrei sein.

Einen Gesetzentwurf gab es unter der Ampel-Regierung jedoch nicht. Abgeordnete von SPD, Grünen und der Linken wurden selbst tätig, wollten das Gesetz ändern. Schwangerschaftsabbrüche bis zur zwölften Woche sollten demnach nicht mehr grundsätzlich strafbar sein. Statt wie bisher sollten sie nicht mehr im Strafgesetzbuch, sondern im Schwangerschaftskonfliktgesetz geregelt werden.

Für Mitinitiatorin Ulle Schauws von den Grünen bedeutet das eine Entkriminalisierung - auch der Ärztinnen und Ärzte. "Alles, was im Strafgesetzbuch steht, kann eigentlich nicht in der Breite der Ausbildung gelehrt werden", so Schauws. "Das heißt: Wir sehen, dass definitiv der Rückgang der Ärztinnen und Ärzte zu einer schlechteren Versorgungslage führt."

FDP als Zünglein an der Waage

Obwohl die Mehrheit der Gesellschaft eine Reform befürwortet - Umfragen gehen von rund Dreiviertel der Menschen in Deutschland aus -, ist der Bundestag nicht soweit. Für eine Änderung hätten die Stimmen der FDP gereicht.

In den vergangenen Monaten gab es zwar Bewegung: Die jungen Liberalen und einige FDP-Parteimitglieder forderten die Bundestagsfraktion auf, im Parlament ein Ende des Verbots von Schwangerschaftsabbrüchen zu ermöglichen. Im aktuellen Wahlprogramm heißt es zudem: "Ungewollt Schwangeren möchten wir bestmöglich helfen und die unzureichende Versorgungslage verbessern. (…) Allen Frauen soll die Kostenübernahme des Abbruchs ermöglicht werden."

Das deckt sich mit dem Gesetzentwurf von SPD, Grünen und Linken. Die frauenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Nicole Bauer, betont im Interview mit tagesschau.de jedoch: "Für mich ist es wichtig, dass wir jetzt keinen Schnellschuss wagen, uns ausreichend Zeit nehmen."

Befürworterinnen einer Reform üben scharfe Kritik an den Liberalen. Sie werfen ihr Blockade-Haltung vor. Die Diskussion bestehe seit Jahrzehnten, alle Fakten lägen auf dem Tisch - das Manöver zeige, wie die Liberalen um die Gunst der Union buhlten und auf eine mögliche Zusammenarbeit nach der Wahl schielten. Im Wahlprogramm der FDP heißt es: Eine Reform sollte "im nächsten Bundestag beraten werden."

Debatte geht weiter

Sollte die Union die nächste Regierung stellen, sehen viele Reform-Befürworterinnen keine Chance auf eine Liberalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. CDU und CSU sind strikt dagegen. Ihr Hauptargument: der "Schutz für das Ungeborene", wie Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU) im tagesschau.de-Interview betont.

Ein gemischtes Bild hat auch die letzte Anhörung von Expertinnen und Experten im zuständigen Rechtsausschuss des Bundestags ergeben: die Meinungen zum Strafrechtsparagraf 218 gehen weit auseinander von "verfassungswidrig" über "dringend notwendig".

Klar ist: Ein Ende des Abtreibungsparagrafen ist nicht in Sicht. Das Thema schafft es nicht auf die Tagesordnung zur Abstimmung in den Bundestag. Die Diskussion um Paragraf 218 ist damit aber nicht beendet.

Befürworterinnen der Legalisierung wie Adriana Beran blicken zwar nicht hoffnungsvoll in die Zukunft, wollen aber nicht aufgeben. "Wir bleiben dran am Thema, weil es darum geht, eine gute Versorgungslage zu haben."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete am 11. Februar 2025 NDR Info um 06:47 Uhr und die tagesschau um 14:00 Uhr.