Ein Mann hält Euroscheine in seinen Händen.
faq

Schattenhaushalt ohne Schuldenbremse Was sind Sondervermögen?

Stand: 05.03.2025 15:23 Uhr

Union und SPD haben sich auf ein milliardenschweres neues Sondervermögen geeinigt. Der Begriff klingt nach einer Schatzkiste mit ganz viel Geld. Dabei geht es eigentlich um "Sonderschulden". Eine Begriffsklärung.

Olaf Scholz verkündete einst den "Doppelwumms", sein wahrscheinlicher Nachfolger Friedrich Merz plant nun so etwas wie den "Super-Doppelwumms". In den Sondierungsgesprächen haben sich die Unionsparteien und die SPD auf ein sogenanntes Sondervermögen von 500 Milliarden Euro für die Infrastruktur geeinigt. Doch auch wenn der Name es zunächst nicht vermuten lässt - es geht um Geld, das der Staat selbst nicht hat.

Wie passt das Sondervermögen zum regulären Haushalt?

Sogenannte Sondervermögen stehen neben dem regulären Bundeshaushalt, der den Regeln der Schuldenbremse unterliegt - Sondervermögen tun dies nicht. Sie sind immer für bestimmte Zwecke vorgesehen, die oft einen Finanzbedarf von mehreren Jahren oder sogar Jahrzehnten haben. Zum Teil bekommen sie die vorgesehenen Mittel aus dem normalen Haushalt, zuletzt war aber immer öfter mit ihnen die Möglichkeit verbunden, Kredite bis zu einer bestimmten Höhe aufnehmen zu dürfen. Das nun geplante Sondervermögen Infrastruktur soll vollständig kreditfinanziert sein.

Was soll mit dem neuen Sondervermögen bezahlt werden?

Die 500 Milliarden Euro sollen insbesondere für Investitionen in den Zivil- und Bevölkerungsschutz, die Verkehrs- und Energieinfrastruktur, in die Bildungs-, Betreuungs- und Wissenschaftsinfrastruktur, in Forschung und Entwicklung und Digitalisierung verwendet werden. Davon sollen 100 Milliarden Euro den Ländern und Kommunen zur Verfügung stehen. Das Sondervermögen soll eine Laufzeit von zehn Jahren haben.

Im Regelfall muss bei den Gesprächen über den Bundeshaushalt jedes Jahr über Investitionen in die Infrastruktur verhandelt werden - also nach Kassenlage, abhängig von Konjunktur und Steuereinnahmen. Ein Sondervermögen schafft eine verlässliche Finanzierungsperspektive sowie Planungssicherheit für Auftraggeber, Ingenieurbüros und die Bauwirtschaft. Union und SPD erhoffen sich durch die großen staatlichen Investitionen auch ein Beleben privater Investitionen.

Was ist mit der Staatsverschuldung?

Die wird kräftig steigen, daran ändert ein Sondervermögen nichts. Im vergangenen Jahr lag sie bei rund 64 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Experten gehen davon aus, dass der Schuldenstand in den kommenden Jahren spürbar klettern wird: Allein wegen des neuen Sondervermögens um etwa zehn Prozentpunkte, rechnet Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer vor. Auch wegen höherer Schulden für Verteidigung könnte die gesamtstaatliche Schuldenquote in zehn Jahren bei 90 Prozent liegen, sagt Krämer. Darauf hätten aber auch weitere Faktoren wie beispielsweise die Inflation Einfluss. Der bisherige Höchststand bei der deutschen Schuldenquote liegt bei 80 Prozent, das war 2010 nach der internationalen Finanzmarktkrise.

Um Investoren den Kauf von Bundesanleihen im Wert von Hunderten Milliarden Euro schmackhaft zu machen, müssen sie wohl mit höheren Zinsen gelockt werden. Die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe stieg nach Bekanntgabe der schwarz-roten Finanzpläne bereits von rund 2,5 auf 2,7 Prozent. Die Zinskosten für den Staat dürften also steigen.

Wie wird über ein Sondervermögen entschieden?

Sie unterliegen der Kontrolle des Parlaments sowie des Bundesrechnungshofes. Im Bundestag ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit zur Einrichtung nötig, denn sie müssen im Grundgesetz verankert werden. Deshalb wollen Union und SPD den Bundestag in seiner alten Zusammensetzung abstimmen lassen - und so eine mögliche Blockade durch Linkspartei oder AfD vermeiden. Für was das Geld genau ausgegeben werden darf, könnte in späteren Gesetzen dann mit einfacher Mehrheit im neuen Bundestag festgelegt werden.

Zum Teil werden sie mit akuten und plötzlich auftretenden Krisen begründet, etwa der Corona-Pandemie 2020, dem Energiepreisschock 2022 oder der weltweiten Finanzkrise 2008. Teilweise werden langfristige und existenzielle Aufgaben als Grund genannt, etwa der Kampf gegen den Klimawandel (Transformationsfonds) oder die Aufrüstung der Bundeswehr angesichts einer neuen Bedrohungslage nach dem russischen Angriff auf die Ukraine.

Es gibt also mehrere Sondervermögen?

Ja, und das schon lange: Auf Bundesebene sind es laut Rechnungshof gegenwärtig 29 Sondervermögen. Die ältesten stammen noch aus der Zeit kurz nach Gründung der Bundesrepublik 1949, die jüngsten wurden 2022 eingesetzt. Nach Angaben des Bundesrechnungshofes summiert sich der finanzielle Umfang auf rund 869 Milliarden Euro allein für die bestehenden größeren Sondervermögen. Und: Die Bundesländer haben noch einmal eigene Sondervermögen.

Welche Sondervermögen gibt es?

Im Jahr 2022 kamen gleich zwei neue Sondertöpfe hinzu, der von Scholz ausgerufene "Doppelwumms": 200 Milliarden Euro zur Bewältigung der zwischenzeitlich sprunghaft gestiegenen Energiepreise sowie 100 Milliarden zur Modernisierung der Bundeswehr. Während der Energietopf bei weitem nicht ausgeschöpft wurde, werden für die Verteidigung vermutlich noch wesentlich größere Summen benötigt. Angesichts des Ukraine-Krieges und der Abkehr der USA als verlässlicher Partner wollen Union und SPD deswegen auch das bestehende Sondervermögen für die Bundeswehr erweitern.

Andere Beispiele für Sondervermögen gab es 2021, als Kosten für den Wiederaufbau nach der Flut in vier Bundesländern ausgelagert wurden. Auch während der Corona-Pandemie hatte es umfangreiche Töpfe zur Stabilisierung der Wirtschaft gegeben, die aber nicht vollständig aufgebraucht worden sind. Auch in der Finanzmarktkrise 2008 kam ein Sondervermögen zum Einsatz, mit dem unter anderem die Commerzbank und die Hypo Real Estate gerettet wurden.

(Quelle: Reuters, dpa)

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 05. März 2025 um 10:00 Uhr.