Philipp Türmer, Juso-Bundesvorsitzender, spricht beim Bundeskongress der SPD-Jugendorganisation

Juso-Kritik an SPD-Spitze "Was war das eigentlich für eine Shit Show?"

Stand: 23.11.2024 00:56 Uhr

Angesichts der Debatte um die SPD-Kanzlerkandidatur haben die Jusos die Parteispitze kritisiert. Diese habe in der Diskussion einen klaren Plan vermissen lassen. Die Ausgangslage vor der Neuwahl sei nun noch schwieriger.

Mit scharfer Kritik an der Parteiführung haben die Jusos auf die Debatte über die SPD-Kanzlerkandidatur reagiert. Zum Auftakt des Bundeskongresses des Jugendverbands in Halle an der Saale sprach Juso-Chef Philipp Türmer den Parteivorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil die Führungsfähigkeit ab. "So geht's nicht weiter. Was war das eigentlich für eine Shit Show in den letzten Wochen", sagte er unter Applaus der 300 Delegierten an die Adresse der SPD-Führung. 

Diskussionen seien zwar wichtig, aber sie müssten "ordentlich moderiert und angeleitet" werden. "Und liebe Saskia, lieber Lars: Leider hatte ich zu keinem Zeitpunkt in den letzten Wochen den Eindruck, dass ihr die Herrschaft über diesen Prozess oder die Diskursherrschaft über die Partei oder gar einen klaren Plan hattet." Die Ausgangslage der Partei sei schon vor der Kandidaten-Debatte nicht einfach gewesen. "Aber jetzt ist sie noch deutlich schwieriger geworden", sagte Türmer.

Debatte über Kanzlerkandidatur von Pistorius

Die Parteiführung hatte nach dem Koalitionsbruch und der Neuwahl-Entscheidung darauf verzichtet, Kanzler Olaf Scholz sofort als Kanzlerkandidaten zu nominieren. Dadurch war in den vergangenen zwei Wochen eine Debatte über eine Einwechslung des weitaus beliebteren Verteidigungsministers Boris Pistorius entstanden. Sie wurde durch den Verzicht von Pistorius auf die Kandidatur beendet. Am Montag will der Vorstand nun Scholz als Kanzlerkandidaten nominieren. "Das hätte man dann halt auch schon vor zwei Wochen haben können", sagte Türmer. 

Zu der Frage, ob nun Scholz oder Pistorius der bessere Kandidat ist, äußerte sich der Juso-Chef nicht. "Niemand von Euch ist wegen Boris oder Olaf in diese Partei eingetreten", sagte er an die Jusos gerichtet. Statt sich klar hinter Scholz zu stellen, rief Türmer dazu auf, alles dafür zu tun, einen CDU-Kanzler Friedrich Merz abzuwenden. Es müsse verhindert werden, dass "dieser neoliberale Typ Kanzler wird". 

Parteichef Klingbeil verteidigt sein Vorgehen

Klingbeil hatte nach der Entscheidung für Scholz dazu aufgerufen, geschlossen in den Wahlkampf zu ziehen: "Wenn die SPD was kann, dann ist das kämpfen", sagte er auf einem Kommunalkongress in Berlin. Sein Vorgehen verteidigte er. Natürlich müsse diskutiert werden in der Partei. "Ich bin ein Parteivorsitzender, der nicht sagt: Basta." Er wolle reinhorchen in die Partei. "Ich will auch ernst nehmen, was diskutiert wird."

SPD kommt Mitte Januar zu Parteitag zusammen

Auch Scholz hielt auf dem Kommunalkongress in Berlin vor gut 100 Teilnehmern seine erste Rede nach der Klärung der K-Frage. Auf die Querelen bei der Entscheidung über die Kanzlerkandidatur ging er aber mit keinem Wort ein. Das letzte Wort hat der Parteitag am 11. Januar, auf dem sich die Partei für die Wahl am 23. Februar aufstellt.

"An diesem Datum wollen wir zeigen, wofür wir stehen, wie wir dieses Land weiterhin führen können", sagte Scholz in seiner Rede. Dabei solle die SPD auch auf die Erfolge aufbauen, die sie bisher erreicht habe. Auf die schwierige Ausgangslage mit einem Rückstand von bis zu 19 Prozentpunkten auf die Union ging Scholz nicht ein.

Parteispitze kann sich auf weitere Kritik gefasst machen

Heute dürfte die aus dem Ruder gelaufene Kandidatendebatte doch noch einmal Thema sein. Es werden Parteichefin Esken, Generalsekretär Matthias Miersch und der stellvertretende Parteivorsitzende und Arbeitsminister Hubertus Heil in Halle beim Kongress der Jusos erwartet, wo sie sich womöglich scharfer Kritik stellen müssen. Der Jugendverband stellt knapp ein Viertel der sozialdemokratischen Bundestagsabgeordneten.