Sachsen-Anhalt Harzer Schmalspurbahnen fahren "exorbitantes Minus" ein
Die Harzer Schmalspurbahnen (HSB) mit ihren historischen Dampfloks sind ein Highlight für mehr als eine Million Besucher pro Jahr. Sie sind aber auch teuer: Für dieses Jahr erwarten die HSB rote Zahlen in Höhe von etwa 5,6 Millionen Euro. Ob die Züge der HSB in Zukunft weiter auf den Brocken fahren können, hängt von den Gesellschaftern ab – also unter anderem den Städten Wernigerode, Nordhausen, Harzgerode und Quedlinburg.
- Das Minus ist fünfmal höher als sonst: Eine der beliebtesten Touristen-Attraktionen in Ostdeutschland schreibt rote Zahlen.
- Die Harzer Schmalspurbahnen (HSB) werden von Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie vielen Städten im Harz finanziell unterstützt.
- Für höhere Einnahmen müssen die HSB die Ticketpreise weiter erhöhen. Zudem will man sich auf neue Zielgrupppen, Sonderfahrten und Merchandise konzentrieren.
Der Himmel ist novemberhaft grau, es regnet und der Wind bläst über das Gleis 31 am Hauptbahnhof Wernigerode. Doch die Vorfreude der Fahrgäste der Harzer Schmalspurbahnen (HSB) schmälert das nicht: "Wir erfüllen uns hier einen Traum", berichtet einer der Fahrgäste; ein anderer freut sich auf "bisschen Spaß, Nostalgie und lustig sein." Sie gehören zu den 1,1 Millionen Besuchern, die jedes Jahr mit den historischen Dampfloks der HSB fahren.
Doch obwohl die Harzer Schmalspurbahnen eine der beliebtesten Touristen-Attraktionen in Ostdeutschland sind, sind sie ein großes Minusgeschäft. Ein Defizit von etwa 5,6 Millionen Euro erwartet das Unternehmen für das Jahr 2024, etwa fünfmal höher als sonst – ein "exorbitantes Minus", gibt HSB-Sprecher Dirk Bahnsen zu.
Auch bei schlechtem Wetter freuen sich Besucher auf die Fahrt mit der historischen Brockenbahn.
Harzer Schmalspurbahnen sind großes Minusgeschäft
Als Grund dafür nennt HSB-Sprecher Bahnsen gestiegene Kosten. Nach Corona-Krise und Beginn des Kriegs in der Ukraine seien die Kosten für Personal, Material und Energie überproportional gewachsen. Außerdem seien in den vergangenen Jahren Ausgaben aufgeschoben worden, die jetzt alle gleichzeitig fällig werden, zum Beispiel für die Untersuchung von Dampflokomotiven.
Damit die Harzer Schmalspurbahnen in Zukunft weiter fahren können, sind sie jetzt mehr denn je auf externe Gelder angewiesen. Die kommen von den Ländern Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie den neun Gesellschaftern der HSB: Landkreis Harz, Landkreis Nordhausen, Stadt Wernigerode, Stadt Nordhausen, Stadt Harzgerode, Stadt Quedlinburg, Stadt Oberharz am Brocken, Gemeinde Harztor und die Braunlage Tourismus GmbH.
Unternehmenssprecher Dirk Bahnsen bezeichnet die Höhe des Defizits der HSB als "exorbitant".
Zukunft der Dampfloks hängt von Gesellschaftern ab
Die Länder haben eine weitere Finanzierung schon zugesichert, aber nur, wenn auch die Gesellschafter mitziehen. 650.000 Euro mehr pro Jahr müssten die Anteilshaber der HSB in Zukunft zahlen – das sind 50 Prozent mehr als bisher.
Thomas Balcerowski (CDU), Landrat des Landkreis Harz und Aufsichtsratsvorsitzender der HSB, gibt trotz der steigenden Fördersumme grünes Licht: "Eine Insolvenz oder Schließung der HSB ist für uns keine Option", erklärt er und versichert auf Nachfrage von MDR SACHSEN-ANHALT, dass man die Harzer Schmalspurbahnen auch in Zukunft unterstützen wird.
Aufsichtsratvorsitzender Thomas Balcerowski will der HSB auch in Zukunft freie Fahrt ermöglichen.
Es scheint im Moment also höchst wahrscheinlich, dass die Gesellschafter bei der nächsten Kreistagssitzung im Dezember beschließen werden, die steigenden Kosten zu tragen. Das bestätigt auch Marcus Weise (CDU), Bürgermeister der Stadt Harzgerode: "Ich bin sehr optimistisch, dass die Gesellschafter diese Beschlüsse fassen, weil man klar sagen muss: Werden diese Beschlüsse nicht gefasst, wird die HSB im nächsten Jahr nicht mehr fahren."
Werden diese Beschlüsse nicht gefasst, wird die HSB im nächsten Jahr nicht mehr fahren. Marcus Weise, Bürgermeister von Harzgerode |
Aber warum werden die HSB weiter und mit steigenden Summen gefördert, obwohl sie sich zu einem immer größeren Minusgeschäft entwickeln? Die Gesellschafter begründen das mit der Bedeutsamkeit der Bahnen für die Region. "Die HSB ist ein wichtiger Publikumsmagnet", betont der Aufsichtsratsvorsitzende Balcerowski. "Die Harzer Schmalspurbahnen gehören zum Harz wie keine andere Einrichtung", bestätigt der Harzgeroder Bürgermeister Weise.
Der Bürgermeister von Harzgerode, Marcus Weise, sichert den HSB seine Unterstützung zu.
Historische Bahnen im Harz sind Publikumsmagnet
Ein weiterer Grund ist die regionale Wirtschaft. Denn auch wenn die HSB selbst nicht profitabel sind, sind sie hier ein wichtiger Faktor. Tourismus ist ein wichtiger Wirtschaftszweig in der Region, und als touristisches Highlight ziehen die Schmalspurbahnen viele Menschen an. Dadurch lohnen sich auch andere Hotels und Restaurants. Ein großer Teil der Arbeitsplätze im Harz hängen an den HSB: Sie beschäftigen etwa 280 Menschen. Und laut Unternehmen hängt direkt oder indirekt jeder 11. Arbeitsplatz in der Region von den HSB ab.
Die Unterstützung der Gesellschafter ist dennoch nicht bedingungslos. "Die HSB muss weiterentwickelt werden", sagt der Harzgeroder Bürgermeister Marcus Weise. Genau das will die HSB auch tun und macht sich auf den Weg, im kommenden Jahr ein Zukunftskonzept zu entwickeln, um in Zukunft mehr Geld zu verdienen und weniger auszugeben.
Wir müssen uns natürlich auch die Frage stellen: Haben wir bisher alles richtig gemacht? Dirk Bahnsen, Unternehmenssprecher Harzer Schmalspurbahnen |
"Wir müssen uns natürlich auch die Frage stellen: Haben wir bisher alles richtig gemacht?", räumt HSB-Sprecher Bahnsen ein. Deshalb will das Unternehmen alle internen Prozesse und Strukturen auf Einsparungspotentiale überprüfen. Außerdem sollen neue Einnahmequellen gesucht werden. Die HSB verdienen neben ihrem regulären Betrieb bereits Geld mit beispielsweise Musikveranstaltungen, Sonderfahrten und Merchandise. Diese Bereiche könnten ausgebaut werden, außerdem erwägt das Unternehmen, neue Zielmärkte im Ausland zu erschließen.
Brockenbahn und Co.: Ticketpreise werden steigen
Der größte Hebel, um mehr Geld einzunehmen, ist aber der Fahrkartenpreis. Im Moment bezahlen Gäste für eine Fahrt auf den Brocken und wieder zurück 55 Euro, doch das wird voraussichtlich nicht lang so bleiben. Der Fahrpreis ist in der Vergangenheit jedes Jahr gestiegen und in Anbetracht der finanziellen Situation der HSB wird er es auch im kommenden Jahr tun.
Zumindest ein Teil der steigenden Kosten wird also auf die Gäste der Schmalspurbahnen umgelegt. Für die Menschen am Bahnsteig in Wernigerode an diesem Novembernachmittag wäre das ok. "Wir würden auch mitfahren, wenn die Tickets teurer werden. Das ist einfach ein tolles Erlebnis, richtig analoges Reisen, nichts elektronisches", freut sich einer der Fahrgäste, kurz bevor er in die historische Bahn einsteigt und mit jeder Menge Dampf durch den Regen in Richtung Brocken fährt.
MDR (Saskia Affolter, Til Schäbitz)