Sachsen-Anhalt Plattenbauten im Wandel: Wie Genossenschaften Leerstand bekämpfen
In Sachsen-Anhalt steht im Schnitt jede neunte Wohnung leer – so viele wie nirgendwo sonst in Deutschland. Doch Wohnungsgenossenschaften suchen nach kreativen Lösungen, um Leerstand zu bekämpfen und bezahlbare Mieten zu erhalten. Zwei Beispiele aus Tangerhütte und Magdeburg zeigen, wie unterschiedlich die Ansätze sind.
- Wohnungen unbewohnbar: Die Herausforderung des Leerstands
- Magdeburg: Umbauten für neue Zielgruppen
- Ohne Förderung geht es in Tangerhütte kaum
In Tangerhütte steht etwa jede zehnte Wohnung leer – so wie in vielen anderen Städten in Sachsen-Anhalt. In keinem anderen Bundesland ist die Leerstandsquote so hoch. Doch es gibt Lösungsansätze.
In der Wohnungsgenossenschaft Tangerhütte liegt das Durchschnittsalter der Mieter bei 64 Jahren. In fünf DDR-Plattenbauten leben viele Menschen seit Jahrzehnten in ihren Wohnungen und schätzen die Gemeinschaft sowie die niedrigen Mieten. "Was nützt der Komfort?", fragt Anwohnerin Heidemarie Schulze.
Was nützt der Komfort? Du musst es auch bezahlen können. Heidemarie Schulze | Mieterin in Tangerhütte
"Schick und fein. Du musst es ja auch bezahlen können", so die Rentnerin. Sie ist 1982 in einen der Blöcke eingezogen. "Meine Tochter wohnt mit Familie in Berlin. Da kannste den Quadratmeter nicht mehr bezahlen. Großstädte!" In der Provinz sei das noch anders.
Wohnungen unbewohnbar: Die Herausforderung des Leerstands
Wenn langjährige Mieter wie Heidemarie Schulze ausziehen, bleiben Spuren von Jahrzehnten zurück – eine Herausforderung für die Genossenschaft. "Die Wohnung kann man nicht eins zu eins neu vermieten", sagt der Vorstand der Wohnungsgenossenschaft Tangerhütte, Ingo Buchali. Es fehle an Interessenten und Geld für die Sanierung. Wenn eine Wohnung 50 Jahre bewohnt wurde, müsse diese erstmal auf heutigen Stand gebracht werden.
Doch die Einnahmen reichten nicht aus, um ganze Blöcke zu sanieren. Notwendige Mieterhöhungen wurden aus Rücksicht auf die hohen Energiekosten aufgeschoben. "Wir geben mittlerweile schon 30.000 Euro für eine kernsanierte Dreiraumwohnung aus", so Buchali. ""Mit einem Mietzins zwischen sechs und sieben Euro müsste ich generationsübergreifende Mietverträge machen, um die Kosten zu amortisieren."
Der Vorstand der Wohnungsgenossenschaft Tangerhütte: Ingo Buchali.
Buchali musste ich sich etwas einfallen lassen: Vor vier Jahren standen in den Plattenbauten über ein Viertel der Wohnungen leer, die dadurch nur Kosten verursachen. Inzwischen sind es nur noch 18 Prozent. In zwei Blöcken hat er die oberen Etagen stillgelegt, da dort niemand mehr mieten wollte.
"Die Dämmung wurde vom Dach nach unten verlegt, damit die Funktion erhalten bleibt", sagt Buchali. Sämtliche Heizkörper, Wasser- und Abwasserleitungen sowie die Stromversorgung wurden entfernt. Die Fenster sind mit Gardinen versehen, um von außen einen weniger tristen Eindruck zu erwecken.
Durch diese Maßnahme wurden bereits 32 Wohnungen außer Betrieb genommen. Laut Buchali spart die Genossenschaft damit pro Wohnung jährlich bis zu 1.500 Euro Leerstandskosten. "Das eingesparte Geld kann wieder in den Bestand gesteckt werden."
Magdeburg: Umbauten für neue Zielgruppen
Die Wohnungsgenossenschaft MWG in Magdeburg geht einen anderen Weg. Im Stadtteil Kannenstieg gibt es – wie im Landesschnitt – knapp neun Prozent Leerstand. Ein Grund: Die Schnitte der Wohnungen stammen aus DDR-Zeiten; es gibt viele Zwei- und Drei-Raumwohnungen. Nachfrage gäbe es aber besonders nach großen Wohnungen.
Ein Zehngeschosser aus DDR-Zeiten wurde daher so umgebaut, dass aus Zwei- und Dreiraumwohnungen größere Vier- und Fünfraumwohnungen entstanden. Für eine Familie mit drei Kindern stehen so etwa 116 Quadratmeter mit zwei Bädern, zwei Kinderzimmern und einem Arbeitszimmer zur Verfügung. Der Preis: 1.000 Euro warm.
Für den Umbau von 60 Wohnungen musste die Genossenschaft 6,7 Millionen Euro aufwenden. Bei einer Durchschnittsmiete von sechs Euro pro Quadratmeter sei das nur mit Fördermitteln gegangen, sagt MWG-Vorstand Thomas Fischbeck.
Elf Prozent der Kosten übernahm das Land. Doch dieses Förderprogramm ist inzwischen ausgelaufen. Ob in Zukunft wieder solch eine Förderung komme, sei ungewiss, so Fischbeck. Doch ohne könne nicht geplant werden.
Neubau trotz Unsicherheit
Ebenfalls im Kannenstieg baut die MWG sogar komplett neu. Ein Siebengeschosser mit 54 barrierefreien Wohnungen entsteht für 13,5 Millionen Euro. Eine 52-Quadratmeter-Wohnung soll etwa 650 Euro warm kosten.
In den Bestandswohnungen ist es nicht möglich, Barrierefreiheit zu schaffen. Thomas Fischbeck | MWG-Vorstand
"In den Bestandswohnungen ist es nicht möglich, Barrierefreiheit zu schaffen", sagt Fischbeck. Auch für dieses Projekt gab es eine Förderung: Das Bundesprogramm KfW 55 für energieeffiziente Häuser trug elf Prozent der Kosten. Doch auch dieses Programm ist inzwischen ausgelaufen.
Fischbeck sieht darin ein Problem: "Gerade in einem Stadtteil wie diesem wissen wir, dass wir keine Menschen erreichen, die 12, 13 oder 14 Euro Kaltmiete bezahlen können." Deshalb würde er trotz hoher Nachfrage für die barrierefreien Wohnungen im Moment nicht neu bauen.
Sanierung statt Neubau in Tangerhütte
In Tangerhütte sind Neubauten dagegen kein Thema. Stattdessen setzt die Genossenschaft auf Sanierungen, soweit es die Mittel erlauben. So entstehen beispielsweise Wohnküchen. "Diese Wohnungen sind gut gefragt", sagt Buchali.
Für Buchali hat eine Genossenschaft auch die Aufgabe, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Doch die Genossenschaft stecke in einem Teufelskreis. Das Einkommensniveau in Tangerhütte ist niedrig, die Kosten für Sanierungen sind dagegen stark gestiegen. Diese könne die Genossenschaft aber nicht auf die Miete umlegen, weshalb sie auf Unterstützung angewiesen sei. Aus seiner Sicht brauche es Signale von der Politik, dass die Menschen in der Provinz nicht vergessen würden. "Wir werden hier aussterben, wenn nichts passiert.