
Regierungsbildung ++ Günther kritisiert Ausweitung der Mütterrente ++
Vor den Koalitionsverhandlungen forderte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Günther Union und SPD auf, teure Wahlversprechen zu überdenken. Der CDU-Politiker nannte etwa die Mütterrente. Im Bundestag geht es ab Mittag um das Finanzpaket.
Die wichtigsten Entwicklungen:
- Günther kritisiert teure Wahlversprechen
- Grüne bekräftigen Ablehnung von Finanzpaket
- Experten drängen auf Einigung zu Verteidigungsausgaben
- Erste Beratung im Bundestag zu Finanzpaket
- Städte fordern Schuldenbremsen-Reform und Klimaschutz
- Linnemann: Personalabbau in Ministerien nötig
Um 12 Uhr geht es heute los im Bundestag. Das Parlament tagt in der alten Zusammensetzung, da der neue Bundestag noch nicht konstituiert ist. Auf der Tagesordnung der Sondersitzung: das milliardenschwere Finanzpaket von Union und SPD für Verteidigung und Infrastruktur. In erster Lesung wird heute darüber beraten. Um die Pläne umzusetzen, braucht es eine Grundgesetzänderung, was wiederum nur mit Zweidrittelmehrheit möglich ist. Dafür braucht es vor allem die Grünen. Die aber lehnen die Pläne in der jetzigen Fassung ab. Kompliziert? Hier ein Überblick über die aktuellen Stimmen und Stimmungen:
Der Ministerpräsident Schleswig-Holsteins, Daniel Günther forderte Union und SPD auf, in den heute beginnenden Koalitionsverhandlungen kostspielige Wahlversprechen zu überdenken - insbesondere kritisierte der CDU-Politiker das Vorhaben der CSU, die Mütterrente auszuweiten. "Wir stehen bei der Rente vor großen langfristigen Herausforderungen", sagte er der Wochenzeitung Zeit. "Durch ein Programm wie die Mütterrente wird es nicht leichter, diese Herausforderungen zu bewältigen." Die Ausweitung der Mütterrente ist vor allem der CSU sehr wichtig. Was Union und SPD in ihren Sondierungen vereinbart haben - hier im Überblick:
Eine schwarz-rote Bundesregierung kann bei Umsetzung der in den Sondierungsgesprächen von Union und SPD vereinbarten Pläne im kommenden Jahr mit einem Wachstumsschub rechnen. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) erhöhte seine aus dem Dezember stammende Prognose für das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes 2026 von 0,9 auf 1,5 Prozent.
"Die Investitionen dürften ihre Talsohle durchschreiten und im Jahr 2026 nach vier Rückgängen in Folge wieder zulegen", erklärten die Kieler Forscher in ihrer Frühjahrsprognose. "Neben der weniger restriktiv wirkenden Geldpolitik tragen dazu auch die konjunkturelle Belebung und der Anstieg der öffentlichen Investitionen bei."
Vor der Sondersitzung des Bundestages zu dem geplanten Finanzpaket von Union und SPD hat sich die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig (SPD), im Morgenmagazin zuversichtlich gezeigt, die Grünen zu einer Zustimmung bewegen zu können. Sei sei auch deshalb optimistisch, weil die Grünen bereits während der Ampelregierung dafür geworben hätten, mehr für die Infrastruktur zu tun, so Schwesig.
Die Ministerpräsidentin hatte zuvor mit Blick auf einen Vorschlag der Grünen gewarnt, dass es in der Bevölkerung schlecht ankomme, wenn der Staat nur Milliarden für die Rüstung, nicht aber auch für die Alltagsprobleme der Menschen bereitstelle. Die Grünen plädieren dafür, unter anderem den Entwurf von Union und SPD aufzuspalten und nur über die Ausnahme von Verteidigungsausgaben für die Bundeswehr von der Schuldenbremse abzustimmen.
Die Grünen wollen dem von Union und SPD geplanten Milliarden-Schuldenpaket für Infrastruktur und Verteidigung weiterhin nicht zu einer Mehrheit im alten Bundestag verhelfen. In den Verhandlungen mit Union und SPD habe man sich noch nicht so weit aufeinander zubewegt, dass es eine gemeinsame Lösung gäbe, sagte Co-Fraktionschefin Katharina Dröge im Morgenmagazin. Daher "steht das auch weiterhin, dass wir Grünen diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen werden".
Für eine auch von den Grünen gewollte Reform der Schuldenbremse für mehr Investitionen in Infrastruktur und Klimaschutz gebe es auch im neuen Bundestag eine Zwei-Drittel-Mehrheit, sagte Dröge. Eine "hohe zeitliche Notwendigkeit" gebe es dagegen mit Blick auf eine Lockerung der Schuldenbremse für höhere Ausgaben für Verteidigung und Sicherheit. Dazu hätten die Grünen einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt.
Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der AfD im Bundestag, Beatrix von Storch, hat erneut scharf kritisiert, dass der alte Bundestag noch über eine geplante Grundgesetzänderung entscheiden soll. Von Storch sagte im rbb, das Vorgehen sei ein Verfassungsskandal nie dagewesenen Ausmaßes.
"Es ist vollkommen selbstverständlich, dass man das demokratische Votum des Wählers, das gerade abgegeben worden ist, nicht ignorieren kann und sagt, wir haben jetzt einen besonderen, allbedürftigen Fall und wir müssen jetzt nochmal ganz schnell, bevor die abgewählten Mehrheiten nichts mehr ändern können, die Verfassung ändern." Das sei eine "Verachtung des Wählerwillens", so von Storch. Statt über eine Lockerung der Schuldenbremse zu diskutieren, müsse man über Einsparungen im Haushalt sprechen, betonte die AfD-Fraktionsvorsitzende.
Bei der Finanzierung der Bundeswehr sieht auch die AfD Handlungsbedarf. Es sei jedoch falsch, einfach immer mehr Geld in falsche Strukturen zu "kippen", so von Storch. "Wir müssen eine ehrliche Bestandsaufnahme machen, dann muss man sich die Strukturen angucken und dann kann man schauen, wo man sparen kann und am Ende kann man dann über mehr Geld reden."
Der ehemalige CDU-Fraktionsvorsitzende Ralph Brinkhaus sieht die Verhandler von Union und SPD vor dem Beginn der Koalitionsgespräche mit wachsendem Zeitdruck konfrontiert. "Wenn wir acht, zwölf, sechzehn Wochen ohne Bundeskanzler bleiben, der handlungsfähig ist, dann ist das in der weltpolitischen Lage momentan sehr, sehr schwierig", sagte Brinkhaus im WDR.
Im Gegensatz zu 2018, als die Union zuletzt mit der SPD über eine Koalition verhandelte, könne nicht mehrere Monate auf eine neue Regierung gewartet werden. "Und da zeigt sich jetzt, ob der Deutsche Bundestag, ob die anderen Politiker leistungsfähig sind oder nicht. Und ich glaube, sie sind leistungsfähig", so Brinkhaus, der selbst in einer Arbeitsgruppe sitzt, die am Koalitionsvertrag arbeitet. "Meine Erfahrung ist: Auch lange Koalitionsverhandlungen kommen nicht unbedingt zu besseren Ergebnissen. Und deswegen ist das so schon in Ordnung, wie das jetzt läuft".
Die Union zeigt sich kompromissbereit bei Klimaschutzwünschen der Grünen. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, wies im Morgenmagazin darauf hin, dass die Grünen beim geplanten Sondervermögen für Infrastruktur den Klimaschutz berücksichtigt wollen. "Auch darüber kann man sich unterhalten, wie man so etwas gesetzgeberisch umsetzen kann", sagte der CDU-Politiker.
Auch die BSW-Abgeordnete Sevim Dagdelen will mit einem Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht die Verabschiedung des Milliardenpakets für Verteidigung und Infrastruktur stoppen. "In der Kürze der Zeit lässt sich eine ordentliche Gesetzesberatung mit seriöser Folgenabschätzung nicht vornehmen", sagte Dagdelen der Nachrichtenagentur dpa.
Ihr Rechtsvertreter Christoph Degenhart argumentiert in dem Eilantrag an Karlsruhe, die Abgeordnete des Bündnisses Sahra Wagenknecht sei wegen der kurzfristigen Anberaumung der Beratungen über das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes in ihren Rechten verletzt. Ziel des Antrags beim Verfassungsgericht ist es, das Gesetzgebungsverfahren von der Tagesordnung des Bundestags zu nehmen.
Namhafte deutsche Wissenschaftler rufen Union, SPD, Grüne und FDP dazu auf, sich sofort auf eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben zu verständigen. "Einigt Euch!", heißt es in dem Appell, der von den Politologen Carlo Masala, Christian Mölling und Claudia Major initiiert wurde.
Die Frage nach der Finanzierung deutscher und damit auch europäischer Sicherheit dulde keinen Aufschub und keine Taktik: "In dieser kritischen Phase deutscher und europäischer Sicherheit darf die Frage der Verteidigungsfähigkeit Deutschlands und Europas kein Preisschild haben."
Unter Präsident Donald Trump würden die USA von einem Verbündeten und einer Schutzmacht zu einem Sicherheitsrisiko für Europa. "Unser Kontinent steht damit vor einer doppelten Herausforderung: Russland, das Europa dominieren und politisch unterminieren will, und die US-Regierung Trump, die die EU als ökonomischen Konkurrenten zerschlagen will, sie als ideologischen Gegner diffamiert und die amerikanische von der europäischen Sicherheit entkoppeln will".
Heute berät der Bundestag zum ersten Mal über die von Union und SPD vorgeschlagene Änderung des Grundgesetzes. Es sind eigentlich nur 20 Minuten, die das Parlament vorab zur "Geschäftsordnung" debattieren wird.
Diese Debatte könnte allerdings kontrovers geführt werden. Denn es wird auch um die Frage gehen, ob Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) überhaupt in die Tagesordnung einsteigen wird. Der einzige Punkt darauf ist das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes aus der Feder von SPD und Union.
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) fordert seine Partei, CSU und SPD zu Klarstellungen über die Verwendung des geplanten Sondervermögens für Infrastruktur auf. "Wir werden nur Erfolg mit dem Sondervermögen haben, wenn alle Maßnahmen auch unter dem Ziel stehen, wieder Wirtschaftswachstum zu generieren", sagte er zu "Zeit online".
Günther fordert, das Geld zielgerichtet in Innovationen und in Technologie zu investieren. Es müsse ein nennenswertes Produktionswachstum entstehen, das müsse im Koalitionsvertrag klar definiert werden. "Dann sehe ich auch kein Glaubwürdigkeitsproblem für die Union."
Zudem forderte er Union und SPD auf, kostspielige Versprechen zu überdenken. Insbesondere kritisierte er das Vorhaben der CSU, die Mütterrente auszuweiten. "Wir stehen bei der Rente vor großen langfristigen Herausforderungen. Durch ein Programm wie die Mütterrente wird es nicht leichter, diese Herausforderungen zu bewältigen", mahnte er.
Mehr als 40 Oberbürgermeister und Bürgermeister appellieren an Union, SPD und Grüne, die Schuldenbremse zu reformieren und den Klimaschutz im Grundgesetz zu verankern. Das geht aus einem offenen Brief an die Vorsitzenden der drei Fraktionen hervor, der den Zeitungen der Funke-Mediengruppe vorliegt.
"Modernisierung und Fortschritt werden auf kommunaler Ebene umgesetzt", heißt es in dem Schreiben. Es müssten Gebäude energetisch saniert, klimafreundliche Energie- und Verkehrsinfrastruktur ausgebaut sowie Schulen, Brücken und Straßen modernisiert werden. Solche Maßnahmen verbesserten Lebensqualität, sozialen Zusammenhalt und das Vertrauen in die Politik und Demokratie.
Dazu sollte außerdem der Klimaschutz als sogenannte Gemeinschaftsaufgabe in die Verfassung geschrieben werden. Gemeinschaftsaufgaben sind Bereiche, die Bund und Länder trotz getrennter Zuständigkeiten gemeinsam finanzieren.
Zu den Unterzeichnenden des offenen Briefs gehören laut dem Bericht unter anderem Belit Onay, Oberbürgermeister von Hannover, Katja Dörner, Oberbürgermeisterin von Bonn (beide Grüne) sowie Thomas Spies (SPD), Oberbürgermeister von Marburg. Initiiert hat den Brief die Organisation German Zero, die auf Klimaneutralität in Deutschland bis 2035 hinarbeitet.
Der scheidende Bundesverkehrsminister Volker Wissing unterstützt grundsätzlich das geplante Milliardenpaket von Union und SPD und hält die Themen Sicherheit und Infrastruktur für untrennbar miteinander verbunden.
"Wer Infrastrukturinvestitionen von Verteidigung trennt, hat nicht das gesamte System im Blick", sagte der nach Bruch der Ampel-Koalition aus der FDP ausgetretene Wissing der Nachrichtenagentur dpa. "Wir reden über Infrastruktur, bei der Straße und auch bei der Schiene, die wir zur Verteidigung unseres Landes brauchen." Wenn die NATO Truppen bewege, benötige sie häufig deutsche Straßen und Schienen. "Wir sind das Land im Herzen Europas, das am meisten Transitverkehr hat, dafür brauchen wir funktionierende Infrastrukturen."
Wissing übte damit indirekt auch Kritik an einem von der FDP vorgebrachten Gegenvorschlag. Der Fraktionsvorsitzende Christian Dürr hatte sich für die Einrichtung eines mit 300 Milliarden ausgestatteten Verteidigungsfonds ausgesprochen. Das Geld solle zusätzlich zu Verteidigungsausgaben in Höhe des Zwei-Prozent-Ziels der Nato im regulären Verteidigungsetat bereitgestellt werden. Zum Finanzpaket von Union und SPD gehört auch der Vorschlag eines Sondervermögens für die Infrastruktur, daran übte Dürr wie andere Liberale Kritik.
Kurz vor den beginnenden Koalitionsverhandlungen von Union und SPD hat CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann die SPD dazu aufgerufen, sich mit der Union auf Einsparungen bei der Ministerialbürokratie zu einigen. "Wenn wir schon mehr Geld ausgeben, dann muss das mit Strukturreformen einhergehen", sagte er der "Bild" mit Blick auf die massive Aufnahme neuer Schulden.
So müsse die künftige Bundesregierung bis etwa bis 2029 jede zehnte Beamtenstelle streichen. "Die Menschen erwarten von uns, dass wir bei uns selbst anfangen", betonte Linnemann. "Die Ministerialbürokratie nimmt ja mittlerweile Größenordnungen an, das ist ja Wahnsinn." Es sei machbar, innerhalb einer Legislaturperiode zehn Prozent an Personal einzusparen. "Wir brauchen auch keine 66 Regierungsbeauftragte, die Hälfte reicht."
Der Liveblog vom Mittwoch zum Nachlesen
Nach Ansicht von Ex-Minister Steinbrück steht Deutschland unter einem massiven Problemdruck. In Bayern lehnen die Freien Wähler in der Landesregierung das Finanzpaket bislang ab - damit steht Bayerns Zustimmung im Bundesrat auf der Kippe.