
Deutliche Verluste US-Börsen nach Trumps Zoll-Chaos im Abwärtssog
Gleich eine ganze Reihe von Belastungsfaktoren drückten die Wall Street-Kurse. Hauptthema war mal wieder die von laufenden Kurswechseln geprägte Zoll-Politik der Trump-Regierung. Der DAX setzte derweil seinen Rekordlauf fort.
Weltweit steigende Anleiherenditen, Sorgen um den freien Handel und schlechte KI-Nachrichten aus China - die Gemengelage war heute für die US-Börsen denkbar ungünstig. Die großen Aktienindizes der Wall Street schlossen denn auch allesamt leichter und bauten dabei bis zum Handelsschluss ihre Verluste noch aus.
Die größten Verluste gab es an der Technologiebörse Nasdaq, die 2,61 Prozent verlor auf 18.069 Punkte. Der Auswahlindex Nasdaq 100 sackte um 2,79 Prozent auf 20.052 Punkte ab. Deutlich im Minus war auch der Dow Jones, der Leitindex der Standardwerte, der 0,99 Prozent auf 42.579 Zähler abgab. Der marktbreite S&P 500, der sowohl Technologie- als auch Standardwerte beinhaltet, schloss 1,78 Prozent schwächer.
Am Rentenmarkt gab es ebenfalls Verluste, im Gegenzug stiegen die Renditen mittlerer und langer Laufzeiten weiter an. Zehnjährige US-Treasury-Bonds warfen zuletzt 4,28 Prozent ab. Belastet wurden die Anleihen unter anderem durch robuste Arbeitsmarktdaten, sieht doch die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) in einem solchen Markt mit hohen Löhnen einen großen Inflationstreiber. Die Zollpolitik der USA gegenüber von Mexiko, Kanada und China hatte zuletzt ebenfalls Inflationsängste geschürt.
In Sachen Zölle gab es heute erneut mehrere Wendungen. Präsident Trump teilte zunächst mit, dass alle Einfuhren aus dem südlichen Nachbarland Mexiko, die durch das Freihandelsabkommen USMCA von 2020 abgedeckt seien, bis zum 2. April von den Zöllen befreit seien.
Ebenso wie für mexikanische Waren hat Trump dann auch seine Strafzölle für einen Teil der Importe aus Kanada ausgesetzt. Er unterzeichnete heute im Weißen Haus ein Dekret, mit dem die erst am Dienstag in Kraft getretenen Strafzölle in Höhe von zumeist 25 Prozent auf Importe aus den beiden Nachbarstaaten großteils bis zum 2. April suspendiert werden.
Das Freihandelsabkommen zwischen den USA, Kanada und Mexiko aus dem Jahr 2020 sieht vor, dass die meisten gegenseitigen Lieferungen von Waren und Dienstleistungen von Zöllen befreit sind. Das USMCA war während Trumps erster Amtszeit ausgehandelt worden und löste das vorherige Freihandelsabkommen NAFTA ab.
Bereits am Mittwoch hatte das Weiße Haus mitgeteilt, dass Trump auf Bitte der US-Autohersteller Autos für einen Monat von den Zöllen ausgenommen habe. Die Autoindustrie in den USA, Mexiko und Kanada ist wegen der jahrzehntelangen Freihandelsvereinbarungen stark grenzüberschreitend organisiert.
Die beiden Nachbarländern sind die wichtigsten Handelspartner der USA, kein Wunder also, dass die Anleger zunehmend nervös wurden. Wie es nach Ablauf der Ausnahmefristen weitergeht, bleibt aber unklar.
"Die Unsicherheit durch abrupte handelspolitische Kurswechsel kann Investitionen gefährden und die Wirtschaft beeinträchtigen", kommentierte Bill Sterling, Stratege beim Investitionsverwalter GW&K. "Und eine weitere Sache, über die sich die Investoren Sorgen machen, ist die Höhe der Zölle. Diese geht weit über das hinaus, was wir 2018 erlebt haben, und könnte die Inflation nach oben treiben."
Neben der Zollproblematik, die der Wall Street schon länger sauer aufstößt, scheint auch die scheinbar unbegrenzte KI-Fantasie zu Ende zu sein. Diese hatte die Märkte auch in schwierigen Phasen immer wieder angetrieben.
Aus China, mit dem die USA ebenfalls im Handelsclinch liegt, kamen heute Neuigkeiten im Bereich Künstliche Intelligenz, die Erinnerungen an die jüngste DeepSeek-Schockwelle aufkommen lassen. Denn Alibaba stellte mit QwQ-32B ein KI-Modell vor, das offenbar mit DeepSeeks R1 vergleichbar ist. Wie hier kommt man offenbar mit vergleichsweise geringen Rechenkapazitäten aus - was billiger ist und die führende Marktstellung der US-Konzerne gefährdet.
Die Aktien von Nvidia sanken deutlich um 5,74 Prozent auf 110,57 Dollar. Seit dem Rekord Anfang Januar bei 153,13 Dollar kommt der KI-Highflyer und Anlegerliebling nicht mehr richtig in Gang. Insgesamt sank der Börsenwert der Tech-Werte im Nasdaq 100 seit Mitte Februar deutlich. Ein Großteil davon bei den "Glorreichen Sieben" Alphabet, Amazon, Apple, Meta, Microsoft, Nvidia und Tesla.
Der heimische Aktienhandel ist derzeit nichts für schwache Nerven. Während der DAX am Morgen bei 23.440 Punkten zunächst abermals ein Allzeithoch markierte, ging es im Gefolge bis auf ein Tagestief von 23.061 Zählern bergab. Am Nachmittag setzte erneut eine Gegenbewegung ein, die den deutschen Leitindex in der Spitze bis auf 23.475 Punkte und damit auf eine erneute Bestmarke, trieb.
Am Ende schloss der DAX bei 23.419 Punkten um 1,47 Prozent höher. Der MDAX der mittelgroßen Werte ging bei 30.289 Zählern um 1,77 Prozent höher aus dem Handel.
Der Handel blieb damit auch heute extrem volatil, wie meist, wenn politische Einflüsse bestimmend sind. Nach einem herben Rückschlag am Dienstag hatte der DAX gestern eine fulminante Erholungsrally hingelegt. Ausgelöst wurde sie durch die Verständigung von Union und SPD auf ein riesiges Finanzpaket für Rüstung und Infrastruktur. Der deutsche Leitindex war mit einem Plus von 3,4 Prozent auf 23.081 Punkten aus dem Handel gegangen.
Auch die sechste Leitzinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) in Folge änderte am volatilen und nervösen Handelsverlauf nichts. Die Senkung auf 2,5 Prozent war erwartet worden.
"An der erneuten Rücknahme des Leitzinses führte kein Weg vorbei. Angesichts der schlechten Wirtschaftslage, der weiteren Eskalation im Handelskrieg und immer noch optimistischer Inflationsprognosen überwogen die Argumente für eine weitere Normalisierung des Zinsniveaus stark. Allerdings ist die Normalisierung mit diesem Schritt nun weit fortgeschritten", kommentierte Friedrich Heinemann vom ZEW Institut.
Bei der Beurteilung der Geld-und Fiskalpolitik haben sich aber mit dem neuen deutschen Konjunkturprogramm die Gewichte an den Märkten erheblich verschoben.
"Wenn die Absprachen von Union und SPD zur weitgehenden Lockerung der Schuldenbremse Realität werden, dann schwenkt Deutschland auf eine stark expansive Fiskalpolitik um. Zum Preisdruck höherer Zölle kämen dann auch neue inflationäre Impulse hoher schuldenfinanzierter Ausgabenprogramme. Die Geldpolitik darf nicht weiter Gas geben, wenn die Fiskalpolitik Vollgas gibt", so Heinemann weiter.
Die Aktienanleger spekulieren derweil auf eine zügige Umsetzung des Haushaltspakets. Dadurch könnte das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts in Deutschland bis 2027 um bis zu einen Prozentpunkt pro Jahr wachsen, schätzt Sven Jari Stehn, Chefvolkswirt Europa bei der Investmentbank Goldman Sachs.
Allerdings würde auch die staatliche Schuldenquote von zuletzt gut 62 Prozent gemessen an der Wirtschaftsleistung auf 67,6 Prozent steigen, so der Ökonom Heinemann weiter - übrigens immer noch ein Wert, mit dem Deutschland im internationalen Vergleich der größten Wirtschaftsnationen sehr gut dasteht.
Die Aussicht auf höhere Staatsschulden trieb derweil den Ausverkauf an den Rentenmärkten weiter voran. Zehnjährige Bundesanleihen bauten ihre Verluste im Verlauf aus und rentierten am späten Nachmittag bei 2,87 Prozent. Im Gegenzug fiel der Bund-Future, das Marktbarometer für den Rentenmarkt, auf etwas über 127 Prozent. Ende Februar lag der Kurs noch bei über 133 Prozent.
Das geplante Infrastrukturpaket in Deutschland sei tags zuvor eine geradezu "seismische Meldung" gewesen für den Anleihemarkt, schreiben die Experten der Investmentbank JPMorgan. Am Mittwoch war die Rendite für zehnjährige Bundesanleihen an einem Tag so stark gestiegen wie seit dem Jahr 1990 nicht mehr. Und der Trend setzt sich fort, mit weiteren Folgeeffekten in anderen Ländern. In Japan erreichten die Zinsen ein Hoch seit zehn Jahren.
"Am Kapitalmarkt, also bei längeren Kreditlaufzeiten, bedeuten höhere Staatsschulden nun mal höhere Zinsen. Daran kann auch eine Zentralbank nichts ändern", so Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank.
Der Euro hat heute nach Aussagen aus der Europäischen Zentralbank (EZB) weiter zugelegt. Die europäische Gemeinschaftswährung stieg am Nachmittag bis auf 1,0853 Dollar, dies war der höchste Stand seit November 2024. Zuletzt erholte sich der Dollar nach der Aussetzung der Zölle, im US-Handel wurden nur noch 1,0778 Dollar bezahlt. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,0796 (Mittwoch: 1,0694) Dollar fest.
Zurückhaltende Aussagen von EZB-Präsidentin Christine Lagarde zu weiteren Leitzinssenkungen stützten den Euro. Die Leitzinsen wurden zwar wie erwartet um 0,25 Prozentpunkte gesenkt. Laut Lagarde wirkt die Geldpolitik aber deutlich weniger restriktiv als zuletzt. Sie verwies zudem auf das schwierige politische Umfeld. "Wir haben überall Risiken, überall Unsicherheit", sagte Lagarde. Man müsse daher abwarten und die Daten bewerten.
"Die EZB bereitet die Finanzmärkte auf eine Pause vor. Möglicherweise wird dies bereits auf der nächsten Zinssitzung im April der Fall sein", kommentierte Thomas Gitzl, Chefvolkswirt der VP Bank. "Aus unserer Sicht werden die europäischen Währungshüter aber im weiteren Jahresverlauf die Zinsen fortgesetzt senken."
Der Euro profitiert zudem weiter von den in Deutschland angekündigten Finanzpaketen und der damit verbundenen Hoffnung auf mehr Wirtschaftswachstum. Zudem belastet der vom neuen US-Präsidenten Donald Trump angezettelte Handelskrieg weiter den Dollar. So konnte sich der Euro in den vergangenen Wochen deutlich von den Verlusten erholen, die ihn in den Wochen und Monaten nach der Wahl von Trump Anfang November bis auf 1,0141 Dollar Anfang Februar gedrückt hatten.
Der Logistikkonzern DHL stemmt sich mit einem Sparprogramm gegen den schleppenden Welthandel und die unsichere geopolitische Lage. Damit geht der Abbau von 8.000 Stellen im deutschen Brief- und Paketgeschäft einher, wie der DAX-Konzern heute in Bonn mitteilte.
In der US-Zollpolitik sieht Vorstandschef Tobias Meyer zwar "sowohl Schatten als auch Licht". Angesichts der veränderten politischen und weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen kann er für die mittelfristige Perspektive aber kein festes Jahr mehr benennen. 2025 erwartet der Konzern derweil nur eine schleppende Ergebnisverbesserung, nachdem 2024 etwas besser lief als von Analysten befürchtet.
Die Anleger griffen bei der Post-Aktie derweil kräftig zu. Die Aktie lag im DAX an der Indexspitze und gewann über 14 Prozent.
Die steigenden Renditen am Rentenmarkt machten hingegen den Immobilienwerten weiter zu schaffen. Die Titel von Vonovia, LEG Immobilien und TAG Immobilien verloren deutlich zwischen knapp fünf und bis zu sieben Prozent. Schon gestern waren die Titel deshalb deutlich unter die Räder gekommen. Höhere Finanzierungskosten setzen Aktien aus dem zinsempfindlichen Immobiliensektor unter Druck. Vonovia war DAX-Schlusslicht.
Dem Bankensektor winken hingegen durch eine steilere Zinsstruktur deutlich höhere Krediteinnahmen . Die Titel der Deutschen Bank und der Commerzbank setzten ihren Höhenflug im DAX fort.
Streiks, höhere Kosten und gesunkene Ticketpreise haben der Lufthansa im vergangenen Jahr einen herben Gewinnrückgang eingebrockt. Die Kernmarke Lufthansa Airlines schrieb im Tagesgeschäft sogar rote Zahlen. Insgesamt legte der Umsatz um sechs Prozent auf 37,6 Milliarden Euro zu. Unter dem Strich blieb konzernweit ein Überschuss von knapp 1,4 Milliarden Euro und damit 18 Prozent weniger als im Vorjahr.
Das Vergangene ficht die Anleger aber nicht an, denn im Ausblick auf 2025 zeigte sich Firmenchef Spohr zuversichtlich, auch für die Kernmarke, für die wieder schwarze Zahlen erwartet werden. Zudem soll die Dividende unverändert bei 30 Cents bleiben. Im MDAX sprang das LH-Papier um gut 12 Prozent, stand damit an der Indexspitze und markiert bei über acht Euro ein neues Jahreshoch.
Der Darmstädter Technologie- und Pharmakonzern Merck profitiert vom Boom um Künstliche Intelligenz. Im vergangenen Jahr verzeichnete Merck einen starken Umsatzanstieg bei Halbleitermaterialien, die etwa in Hochleistungschips für KI eingesetzt und stark nachgefragt werden.
Zudem wuchs das Geschäft mit Arzneien insbesondere gegen Krebs, sodass der DAX-Konzern seinen Umsatz leicht um 0,8 Prozent auf 21,1 Milliarden Euro steigerte. Wegen höherer Steuern verdiente der Konzern unterm Strich mit knapp 2,79 Milliarden Euro rund zwei Prozent weniger als im Vorjahr. Merck-Aktien legten zu.
Der Online-Händler Zalando will sein Geschäft über neue Bonus-Programme, Angebote und Partnerschaften weiter ausbauen. Co-Unternehmenschef Robert Gentz kündigte bei der Vorlage der detaillierten 2024er-Zahlen und des Ausblicks weitere Investitionen an. Im laufenden Jahr sollen zudem Erlös und Umsatz weiter zulegen. Mittelfristig soll auch die geplante Übernahme des Konkurrenten About You zum Wachstum beitragen. An der Börse wurde die Prognose für das laufende Jahr verhalten aufgenommen. Nach einem freundlichen Start rutschte das Papier ins Minus und gehörte am Ende zu den größten Verlieren im DAX.
Volkswagen setzt bei seinem Einstiegs-Elektroauto auf die Software aus der Zusammenarbeit mit dem US-Startup Rivian. Der ID.Every1, der zu einem Preis von rund 20.000 Euro auf den Markt kommen soll, ist damit das erste Fahrzeug, das von dem Gemeinschaftsunternehmen profitieren soll. Das Auto solle auf dem europäischen Markt verkauft werden, sagte Volkswagen-Markenchef Thomas Schäfer gestern. Für China oder Amerika sei das Fahrzeug nicht vorgesehen, in anderen Märkten könne es verkauft werden, wenn es Sinn ergebe.
Der Industriekonzern Thyssenkrupp will in seinem schwächelnden Geschäft mit Autoteilen rund 1.800 Stellen streichen. Die Arbeitsplätze sollen möglichst sozialverträglich abgebaut werden, teilte der Konzern heute mit. Die Aktie legte deutlich zu und gehörte zu den größten Gewinnern im MDAX.
Der Schritt sei Teil eines Programms, mit dem die Kosten um über 150 Millionen Euro anteilig im laufenden Geschäftsjahr und in voller Höhe im Geschäftsjahr 2025/26 wirksam gesenkt werden sollen. In der Sparte beschäftigt Thyssenkrupp mehr als 31.000 Mitarbeiter. Wie viele Stellen in Deutschland wegfallen, lasse sich noch nicht sagen.
Der DAX bleibt unverändert, darunter tut sich etwas: In den Nebenwerteindex MDAX steigen nach Berechnungen der Deutsche-Börse-Tochter ISS Stoxx drei Unternehmen auf: Der Panzergetriebehersteller Renk, der Online-Broker FlatexDegiro und der zur Deutschen Bank gehörende Vermögensverwalter DWS. Sie ersetzen den Wafer-Hersteller Siltronic, der unter der Chip-Krise leidet, den Verpackungshersteller Schott Pharma und den Finanzdienstleister Hypoport. Alle drei steigen in die dritte Liga, den Kleinwerteindex SDAX ab. Die Änderungen werden am 24. März wirksam.
Der Chiphersteller Broadcom punktet mit einem überraschend starken Ausblick. Die Aktie legt nachbörslich 15 Prozent zu. Broadcom teilte nach Börsenschluss mit, im zweiten Quartal einen Umsatz von etwa 14,90 Milliarden Dollar zu erwarten - Analysten waren bislang im Schnitt von 14,76 Milliarden ausgegangen. Grund dafür ist die starke Nachfrage nach Chips für Künstliche Intelligenz für Unternehmen, die große Datenmengen verarbeiten. Broadcom bietet kundenspezifische Chips für Firmen, die nach einer Alternative zu den teuren Prozessoren des Marktführers Nvidia suchen.
Broadcom testet Insidern zufolge erneut Intels neue Fertigungsmethode für hochmoderne Prozessoren, nachdem frühere Testläufe wegen hoher Ausschussquoten enttäuschend verlaufen waren. Zwischenzeitlich wurde Broadcom sogar als möglicher Käufer des Chipdesign-Geschäfts von Intel gehandelt.