Klimawandel Hamm passt sich an
Die Städte in Deutschland bereiten sich in Sachen Klimawandel auf die Zukunft vor. In den Verwaltungen sitzen Menschen, die Konzepte entwickeln und dann versuchen, sie umzusetzen - wie zum Beispiel in Hamm.
Dass Klimaschutz auch Kleinstarbeit ist, weiß Wilma Großmaas nur zu gut. Sie ist Klimafolgenanpassungsmanagerin der Stadt Hamm. Das ist zwar ein sperriger Jobtitel, allerdings einer mit einem klaren Ziel. Die junge Frau ist verantwortlich, Hamm in Sachen Klimawandel auf die Zukunft vorzubereiten. "Denn schon heute lässt sich ja schon absehen, was wir tun müssen in Sachen Hitze- und Hochwasserschutz und gegen Trockenheit", erklärt Großmaas.
Normalerweise ist ihr Job hauptsächlich Büroarbeit, doch alle paar Wochen hat sie auch Außentermine. Heute kann die Stadt Hamm im nahegelegenen Wald einen weiteren wichtigen Schritt nach vorne machen. Gemeinsam mit ihren Kollegen vom Regionalverband Ruhr Grün will Wilma Großmaas dabei sein, wenn der letzte Wassergraben verschlossen wird. Eingemummelt in ihrem Wintermantel, bewaffnet mit Jutebeutel und zusammengerollten Papierplänen stampfen sie den Schnee bedeckten Matschweg im Wald entlang. Sie sind verabredet mit einem Baggerunternehmer, den sie engagiert haben, um die angesprochenen Gräben zu verschließen.
Kleine Schritte für den Klimaschutz
Früher sammelte sich Wasser im Wald, die Böden wurden moorig und die Menschen wollten das Wasser aus dem Wald herausleiten. Heute ist es genau andersherum: dieses Wasser ist für die Bäume notwendig, um Trockenheiten zu überleben und CO2 speichern zu können. Großmaas erklärt: "Der Wald hat eine wichtige Funktion als Schwamm. Durch den Klimawandel ist es so, dass die Temperaturen steigen. Das heißt, es verdunstet auch mehr." Das gefalle dem Wald gar nicht. Also muss das Wasser im Wald bleiben, und die Gräben weichen. Nur so bleiben die Bäume gesund, der Wald kann CO2 aus der Luft aufnehmen.
Also baggern sie seit mehreren Wochen in diesem Wald genau die Gräben zu, die Vorgenerationen vor Jahrzehnten gegraben haben. Es waren andere Zeiten mit anderen Lösungen, die die Umweltämter und Klimaschutzabteilungen heute korrigieren müssen. Und somit auch Großmaas und ihre Kollegen.
"Das sind genau die Maßnahmen, die wir brauchen damit in Sachen Klimaschutz etwas passiert", erklärt Dirk Bieker vom Regionalverband Ruhr Grün. "Konzepte schreiben ist gut und schön, aber wenn die dann auch geschrieben sind, geht es darum, was umzusetzen. Und das sind Maßnahmen, die dafür sorgen, damit nicht noch was größeres entsteht."
Eine Managerin für alle Bereiche
Großmaas leiste da einen wichtigen Beitrag, damit die Projekte zügiger vorangehen und vor allem auch koordiniert werden können. "Ich kann das hier natürlich nicht allein umsetzen", erklärt sie bescheiden. "Ich bin immer darauf angewiesen, dass es Kollegen gibt, die mich dabei unterstützen und die mit einer ähnlichen Haltung an die Themen herangehen und auch erkennen, wie wichtig dieses Thema ist und dass wir diese Maßnahmen prioritär behandeln müssen."
Je weniger Überzeugungsarbeit sie in der Verwaltung leisten muss, desto mehr kann sie sich auf ihren Job konzentrieren. Denn ihre Hauptarbeit ist Büroarbeit: Planen, diskutieren, konzipieren. Vor allem geht es auch um Städtebau auf die kommenden Hitzesommer vorbereiten zu können. Es geht um Begrünung von Stadtdächern, aber auch im Bau- und Verkehrssektor die Stadt klimatauglicher aufzustellen.
Städte stehen zum Teil noch am Anfang
Doch in Sachen Städtebau sind die Hürden hoch, erklärt auch Klimawissenschaftler Niklas Höhne vom NewClimate Institut: "Um die Treibhausgasemissionen zu reduzieren, geht es darum, die Gebäude effizienter zu machen und die Heizungen auszutauschen sowie die Transportwege zu verkürzen und die Städte so zu gestalten, das klimafreundliche Verkehrsmittel bevorzugt werden. Aber Klimawandel bedeutet auch Anpassung, zum einen an hohe Temperaturen durch Begrünung oder Belüftungskorridore oder an hohe Niederschläge mit Rückstauflächen und Becken, auch 'Schwammstadt' genannt."
Lange wurde zu wenig getan, kritisieren Klimaforschende wie Höhne. Dass im Bau- und Verkehrssektor zu wenig geschieht, hat auch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg gerade erst der Bundesregierung per Urteil mitgegeben. Die sei zu einem Klima-Sofortprogramm verpflichtet, das dann auch in die Kommunen ausstrahle.
"Viele Städte stehen noch am Anfang", erklärt Höhne. "Seit den sechziger Jahren haben wir Städte für Autos optimiert. Doch die großen Straßen mit all den Parkplätzen sind nicht nur schlecht fürs Klima, sie sind auch im Sommer extrem heiß. Diese Entwicklung zurückzudrehen, hin zu einer Fußgänger- und Fahrrad-Stadt mit vielen Grünflächen ist ein langwieriger Prozess."
Lange Prozesse
Wie langwierig, das weiß auch Wilma Großmaas in Hamm. Doch sie ist nicht allein. In ihrem Nachbarbüro sitzt Tobias Garske. Er ist Klimaschutzmanager der Stadt Hamm. Sie erzählen von der Renaturierung der Lippe, dem Fluss, der quer durch die Stadt fließt. Dort treffen sich die beiden, um darüber zu sprechen, wie sich der Fluss entwickelt. Der ist übergetreten, die winterlich grün-grauen Ufer sind überflutet.
Das ist aber gewollt, denn die bisherigen Begradigungen wurden aufgehoben. Durch Überschwemmungen wird die Hochwassergefahr dezimiert. "Also es ist gut, wenn Teile des Ufers temporär überschwemmt sind", erklärt Großmaas. "Die Lippe, so wie wir sie jetzt sehen mit diesen entfesselten Ufern, das war bis vor einigen Jahren tatsächlich nicht der Fall. Die ist umgestaltet worden, um dem Fluss auch mehr Raum zu geben, um dann auch im Hochwasserfall eben dem Fluss mehr Platz geben, dass der sich ausbreiten kann."
Großmaas‘ To-Do-Liste ist noch lang. Als nächstes will sie den Hitzeaktionsplan für den Sommer aktualisieren. Doch ihr Problem: Ihr Vertrag läuft aus. Ihr Job wird gefördert durch den Bund und ist befristet bis Ende Februar. Sie hofft auf Verlängerung, auf eine lange Klimaanpassungs-Karriere.