Eine Person liegt unter einer Jacke an der Kreuzung von Wall Street und Broad Street gegenüber der Börse in New York.

Immer mehr Menschen obdachlos Leben ohne Hoffnung auf den Straßen New Yorks

Stand: 18.01.2025 15:04 Uhr

350.000 New Yorker haben keine dauerhafte Wohnung, rund 5.000 leben auf der Straße. Die Obdachlosigkeit dort ist so hoch wie seit den 1930er-Jahren nicht mehr. Wie kommen die Menschen durch den Winter?

Chris Gerritt hat die Hoffnung schon fast aufgegeben. Eine Wohnung oder gar ein Zimmer im teuren New York zu finden, ist für ihn quasi unmöglich.

Er ist seit mehr als zehn Jahren obdachlos, durch die Folgen der Inflation wird es nicht leichter. Mit Mitte 40 scheint er den Kampf schon aufgegeben zu haben, von der Straße wieder weg zu kommen.

Manchmal verbringt Gerrit die Nacht daher in der warmen U-Bahn, um sich vor New Yorks eiskaltem Winter zu schützen. Wenn ihn die Polizei nicht aus der Station rauswirft. Sonst schläft er bei Minusgraden auf einem Bett aus Pappkartons und Decken im Central Park, anstatt ins Obdachlosenheim zu gehen.

"Da lebt ein Haufen verrückter Leute auf engstem Raum", erzählt er von seinen Erfahrungen. "Das ist ein Problem für mich. Ich bin lieber hier draußen in der Kälte, ganz allein. Es ist echt nicht einfach für mich. Das Heim erinnert mich zu sehr ans Gefängnis - ein Ort, an dem ich auch nicht sein will."

Jahrelanger Leidensweg

Chris war jahrelang abhängig von Crack und deshalb sogar mehrfach im Gefängnis. Wegen psychischer Probleme ist er auf Medikamente angewiesen, die er nur schwer bekommt:

"Wenn ich die richtigen Medikamente bekommen würde, könnte ich arbeiten und hätte ein Einkommen. Dann könnte ich vielleicht doch ein Zimmer und einen Mitbewohner finden."

350.000 ohne dauerhaftes Zuhause

New York ist für viele Menschen ein Traumort. Acht Millionen Menschen leben hier. Doch nicht alle davon haben ein Dach über dem Kopf: Die Obdachlosigkeit ist hier auf den höchsten Stand seit der Weltwirtschaftskrise in den 1930er-Jahren gestiegen.

Circa 5.000 leben auf der Straße. Insgesamt haben sogar 350.000 New Yorker kein dauerhaftes Zuhause, leben in Obdachlosenheimen oder bei Bekannten. Und auch in den restlichen USA sind es so viele wie nie.

Das Hauptproblem sind vor allem die Mieten, die von Jahr zu Jahr steigen und gerade jetzt in den Großstädten immer mehr Menschen in Not oder gar auf die Straße bringen. Aktuell liegt der durchschnittliche Preis für eine Ein-Zimmer-Wohnung in New York bei circa 4.000 Euro pro Monat.

Keine Wohnung, trotz Einkommen

Es gibt es immer mehr Menschen, die sich wegen der rasant gestiegenen Kosten keine eigene Wohnung mehr leisten können - trotz Einkommens. So wie Christopher Tucker.

Der 31-Jährige kommt aus der Bronx. Seit zwei Jahren lebt er in einem Obdachlosenheim, obwohl er sogar einen Job als Sicherheitsmann hat. Nach einer Trennung fällt er in ein tiefes Loch. "Die Leute denken, Obdachlose, das sind nur Leute mit Drogenproblemen und psychischen Störungen", erzählt er verärgert. Aber das sei nicht so.

Es gibt auch gute und gebildete Leute, die im Leben mal abgerutscht sind und Hilfe brauchen, um eine neue Wohnung zu finden.

Eigentlich hatte er schon eine Chance auf einen Wohnungszuschuss, der ihm dann aber doch verwehrt wurde: "Als mir der Anspruch auf eine Wohnung verneint wurde, da wollte ich mich umbringen. So eine Wohnung hätte mir geholfen. Ich bin doch noch jung, habe keine Kinder und eine Zukunft."

Stadt versucht zu helfen

Wer in New York obdach- oder wohnungslos ist, hat heutzutage aber auch mehrere Rechte. Zum Beispiel ein Recht auf ein Bett in einem der Heime, auf Essensmarken oder auch auf ein monatliches Taschengeld in Höhe von 177 Euro.

Zudem gibt es zahlreiche Suppenküchen, die kostenlose, warme Mahlzeiten verteilen. Trotzdem bleibt es für einen Teil eine aussichtslose Situation.

New Yorks Bürgermeister Eric Adams hat vor wenigen Tagen nun einen 630-Millionen-Euro-Plan vorgestellt, um Wohnungsmangel und Obdachlosigkeit zu bekämpfen.

Er will eine Einrichtung zur Behandlung psychisch kranker Menschen öffnen und mehr Betten für Obdachlose schaffen. "Als ich mein Amt antrat, sagten wir, dass die Zeiten, in denen Menschen auf unseren Straßen und in den U-Bahnen leben müssen, vorbei sind", sagt er.

Es ist nicht sicher, es ist nicht menschenwürdig, und es wird unter meiner Verantwortung nicht weitergehen.

Mehr Wohnraum die Lösung?

Beraten lässt sich der Bürgermeister auch von ehemaligen Betroffenen. Shams DaBaron ist einer von ihnen. Bei seinen Beratungen kann er seine eigenen Erfahrungen miteinbringen. Shams war selbst über 40 Jahre lang obdachlos.

Vor wenigen Jahren hat er es geschafft, von der Straße wegzukommen und ist in eine eigene Wohnung gezogen. Nun will er anderen Menschen helfen und drängt auf mehr Wohnraum:

"Das ist am Ende die Lösung für Obdachlosigkeit. Der Bau von Wohnungen ist eine bessere Option als die Schaffung von mehr Obdachlosenheimen", sagt Shams. New York baue gerade auch mehr Wohnungen als jemals zuvor. "Wir sind also auf dem richtigen Weg", sagt er hoffnungsfroh. "Aber der Bedarf ist noch höher. Es gibt noch so viel zu tun."

Chris Gerrit hat mittlerweile einen Schlafplatz unter einer Brücke im Central Park gefunden. Die minus drei Grad Celsius hier sind ihm weiterhin lieber als eines der Obdachlosenheime. Er sagt neben fehlendem Wohnraum brauche es auch eine bessere medizinische Versorgung. Zwei Themen, die die Stadt in diesem Jahr angehen will.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 17. Januar 2025 um 05:40 Uhr.