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Habeck bei Farbe bekennen Aussagen zu Wehrpflicht und Energie geprüft
Die Aussagen des Grünen-Kanzlerkandidaten Habeck in der ARD-Sendung "Farbe bekennen" waren größtenteils korrekt. Dennoch lohnt sich eine genaue Betrachtung der Themen Wehrdienst, Energiepreise und Klimaziele.
In der ARD-Sendung Farbe bekennen antwortete Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck zu Fragen diverser Themenkomplexe. So ging es um mögliche Koalitionsbildungen, die USA und Donald Trump ebenso wie um Verteidigungspolitik, das Klima oder Wirtschaftsfragen.
Habecks Aussagen sind faktenbasiert und halten den Überprüfungen stand. Dennoch ist es hilfreich, den Themen Wehrdienst, Energiepreise und Klimaziele mehr Kontext zu liefern.
Wehrpflicht nach skandinavischem Vorbild?
Beim Thema Wehrpflicht setzt Habeck auf Freiwilligkeit. Es sollen wie in skandinavischen Ländern junge Menschen angeschrieben und für die Bundeswehr geworben werden. Aber wäre so ein Modell in Deutschland umsetzbar?
Christian Richter, Verteidigungsexperte der Denkfabrik der Bundeswehr, hält eine Wehrpflicht nach skandinavischem Vorbild auch in Deutschland für machbar. Der Staats- und Völkerrechtler arbeitet am GIDS, einer Kooperation der Führungsakademie und der Universität der Bundeswehr Hamburg. Richter erklärt, es sei durchaus denkbar, dass eine sogenannte Auswahlwehrpflicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Inwieweit das mit Infrastruktur und Ausbildern bewältigt werden könnte, liegt laut Richter entscheidend an der Zahl der einberufenen Wehrpflichtigen. Gleiches gelte auch für die erforderlichen finanziellen Mittel.
Eine Auswahlwehrpflicht gibt es laut Richter in Dänemark, Norwegen und Schweden. Die Ausgestaltung der Wehrpflicht ist ihm zufolge in den drei Ländern im Wesentlichen gleich - bis auf das Detail, dass in Schweden und Norwegen alle volljährigen Staatsbürger angeschrieben und aufgefordert werden, einen verpflichtenden Fragebogen zur Musterung auszufüllen. In Dänemark gelte die Wehrpflicht bislang nur für Männer - ab 2026 dann aber auch für Frauen. Ausgewählt würden dann die "am besten geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten".
Nur bedingt freiwillig
Zum Thema Freiwilligkeit stellt Richter klar: "Aufgrund der geringen Anzahl der benötigten Wehrpflichtigen in den skandinavischen Staaten werden derzeit nur junge Menschen in Skandinavien zum Wehrdienst herangezogen, die bereit und willens sind, diesen Dienst zu leisten." Vor diesem Hintergrund könne man in gewisser Weise von Freiwilligkeit sprechen.
Nichtsdestotrotz sei es in Skandinavien verpflichtend, den Fragebogen zu beantworten, zur Musterung zu erscheinen und den Wehrdienst anzutreten, führt Richter weiter aus. Dabei handle es sich um eine echte Rechtspflicht. "Folgt man ihr nicht, kann dies mit Geld- oder Gefängnisstrafen geahndet werden", ordnet Richter ein.
Pistorius wollte "Neue Wehrpflicht" einführen
Die Frage nach der Umsetzbarkeit stellte bereits vor Monaten auch Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD). Nach einem Besuch in Schweden ließ er sich von seinem Ministerium wie folgt zitieren: "Ich habe ein gewisses Faible für das schwedische Modell."
In Anlehnung an dieses Modell hatte Pistorius erst zuletzt noch versucht, eine sogenannte "Neue Wehrpflicht" in Deutschland durchzusetzen. Es soll nach Beschreibung des Bundesverteidigungsministeriums unter anderem diejenigen erfassen, die im wehrdienstfähigen Alter sind. Dabei sollen sowohl Männer als auch Frauen angeschrieben werden. Und - wie bei den skandinavischen Modellen - soll ihnen ein Fragebogen zugeschickt werden. Die Beantwortung ist laut dem Ministerium für Männer verpflichtend und für Frauen freiwillig.
Die Krux: Die sogenannte Neue Wehrpflicht schaffte es nicht durch die Legislaturperiode. Wie das Ministerium auf Anfrage mitteilte, wurde das Gesetz zwar im November 2024 im Bundeskabinett beraten. Durch die vorgezogene Bundestagswahl sei die parlamentarische Befassung und das Inkrafttreten des Gesetzes jedoch in dieser Legislaturperiode nicht mehr möglich. Weiter hieß es: "Die Vorbereitungen für den Neuen Wehrdienst werden durch das BMVg weiter konsequent verfolgt, damit das Projekt in der neuen Legislatur verzugsfrei weitergeführt werden kann."
Habeck: Hohe Kosten kommen durch fossile Energien
Zum Thema Energiekosten sagte Habeck in der ARD-Sendung, Kostentreiber im Stromsystem seien die fossilen Energien.
Dass wir so verdammt hohe Strompreise und Gaspreise haben, liegt nicht am Klimaschutz. Wer das den Leuten erzählt, erzählt die Lüge.
Weiter führte Habeck aus, das liege an den hohen Kosten des Erdgases, "das wir jetzt auf dem Weltmarkt einsammeln müssen zu höheren Preisen". Grund dafür sei der Wegfall des russischen Gases durch die Sanktionen als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine.
Bruno Burger, Energieexperte am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE, hält die von Habeck getroffenen Aussagen für richtig. In der Regel sind erneuerbare Energien günstiger als fossile Energien. Er sagte auf Anfrage des ARD-faktenfinders, an der Strombörse bestimme durch das sogenannte Merit-Order-Prinzip das teuerste Kraftwerk, das gerade noch für die Stromerzeugung benötigt wird, den Strompreis.
Dazu gilt folgender Hintergrund: Der Strommarkt in der EU funktioniert nach dem Merit-Order-Prinzip. Dies bezeichnet die Einsatzreihenfolge der an der Strombörse anbietenden Kraftwerke. Kraftwerke, die billig Strom produzieren können, werden zuerst herangezogen, um die Nachfrage zu decken. Das sind meist erneuerbare Energien. Am Ende richtet sich der Preis aber nach dem zuletzt benötigten, also teuersten Kraftwerk - das sind oft Gaskraftwerke.
Wenn die teuersten Kraftwerke nach diesem Prinzip herangezogen werden, dann geschieht das laut Burger vor allem dann, wenn aufgrund des Wetters zu wenig erneuerbare Energien zur Verfügung stehen.
CO2-Preis und Wirkungsgrad eingepreist
Für den Strompreis der Gaskraftwerke ist demnach unter anderem der Wirkungsgrad ein wichtiger Faktor. Dieser beschreibt, wie viel Strom am Ende pro Kilowattstunde Gas aus dem Kraftwerk herauskommt. Laut Burger liegt der Wirkungsgrad von Gaskraftwerken bei 55 Prozent. Er erklärt: "Wenn Sie eine Kilowattstunde Gas in ein Gaskraftwerk reinstecken, dann kommen 0,55 Kilowattstunden Strom raus. Und deshalb müssen Sie für eine Kilowattstunde Strom dann 1,8 Kilowattstunden Gas reinstecken."
Ein weiterer Preisfaktor sind laut Burger Emissionszertifikate. Denn im Gaskraftwerk entstehen durch die Verbrennung des Erdgases ungefähr 0,4 Kilogramm Kohlendioxidemissionen pro erzeugter Kilowattstunde Strom, so der Experte. Für diese Emissionen muss das Kraftwerk Emissionszertifikate kaufen, die den erzeugten Strom zusätzlich verteuern. Der Strompreis eines Gaskraftwerks ist somit vom Gaspreis und vom Preis der CO2-Zertifikate abhängig.
Verivox-Experte: Es kommt auf den Zeithorizont an
Auch Thorsten Storck vom Vergleichsportal Verivox bestätigt diese Darstellung. Storck bezieht sich dabei ebenfalls auf das Merit-Order-Prinzip und die Tatsache, dass sich der Betrieb von Gaskraftwerken verteuert habe. Dadurch seien auch die Strompreise gestiegen. Das Niveau der Strompreise sei zwar nicht mehr auf Rekordniveau, aber nach wie vor hoch. Das zeigen laut Storck die Neukundenpreise für Strom.
Der starke Strompreisanstieg der vergangenen dreieinhalb Jahre geht demnach im Wesentlichen auf den starken Anstieg der Gaspreise in diesem Zeitraum zurück. Auch diese Entwicklung lässt sich laut Storck anhand der Neukundenpreise für Gas gut nachvollziehen.
Dabei habe aber auch der Umstieg auf erneuerbare Energien den Strompreis für Haushalte in Deutschland in den vergangenen drei Jahrzehnten durchaus angehoben, ordnet Storck ein. "Das geschah bis zum Jahr 2022 in Form der EEG-Umlage, die zeitweise rund ein Fünftel des Strompreises ausgemacht hat." Seit 2023 werden die staatlichen Vergütungen für die Produzenten von erneuerbaren Energien aus dem Bundeshaushalt bezahlt. Aber - so die Folgerung von Storck - der Umbau beziehungsweise Ausbau des Stromnetzes hat weiterhin zu höheren Stromnetzgebühren geführt.
Kündigt die Union zentrale Klimamaßnahmen auf?
Angesprochen auf die Klimapolitik von CDU und CSU sagt Habeck: "Die Union kündigt im Grunde alle Maßnahmen auf, die notwendig sind, das Klimaziel Deutschlands einzuhalten, ohne zu sagen, wie sie es sonst machen will."
Die Union schreibt in ihrem Wahlprogramm tatsächlich, dass sie die "ideologiegetriebene Politik der Ampel" beenden wolle. So soll beispielsweise an der Atomenergie festhalten werden und das Heizungsgesetz abgeschafft werden. Allerdings habe man die Klimaneutralität bis 2045 "fest im Blick", das dürfe jedoch nicht den "Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft" gefährden.
Die Union kommt in ihrem Wahlprogramm zu dem Schluss, dass der Markt den Klimaschutz am besten regele. Das soll über den Emissionshandel mit CO2-Preis gelingen. Eine CO2-Bepreisung soll zum Leitinstrument ausgebaut werden, deren Einnahmen an Verbraucher und Wirtschaft zurückgegeben werden sollen. "Der Markt soll darüber entscheiden, wo und wie Emissionen vermieden werden."
Gleichzeitig heißt es im CDU-Wahlprogramm, man wolle die Energiepreise niedriger halten. Dafür sollen Stromsteuer und Netzentgelte gesenkt werden. "Der Strom muss für alle schnell und spürbar günstiger werden."
Parteiprogramm der Union "inkonsistent"
Niklas Höhne, Gründer des NewClimate Institute und Professor an der Universität Wageningen in den Niederlanden, sagt im Gespräch mit dem ARD-faktenfinder, dass das nicht zusammen passe. "Das Parteiprogramm der Union ist inkonsistent in der Art und Weise, wie das Klimaschutzziel eingehalten werden soll." Auf der einen Seite sage die CDU, die Maßnahmen würden aufgekündigt. Auf der anderen Seite sagt sie, der CO2-Preis solle dies regeln und die Energiepreise müssten niedrig sein.
"Das Problem ist: Der CO2-Preis kann nur das Klimaschutzziel erreichen, wenn er sehr sehr hoch wird, also Richtung 350 oder 400 Euro die Tonne", so der Fachmann für nationale und internationale Klimapolitik. Was dann passiere, sage die Union nicht, da könne man nur mutmaßen. Eine Option ist laut Höhne, dass die Union dann einknickt und den CO2-Preis nicht so hoch laufen lasse, dann aber das Klimaschutzziel verfehle. "Aber das steht so nicht im Wahlprogramm."