Ein Insasse blick aus einem vergitterten Fenster  aus einer Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige in Büren
Kontext

Asylpolitik Wie realistisch sind CDU-Pläne zu Abschiebehaft?

Stand: 03.02.2025 08:48 Uhr

Die Forderungen von CDU-Chef Merz zum Thema Migration und Asyl polarisieren. Eine davon lautet: vollziehbar Ausreisepflichtige etwa in leer stehenden Kasernen in Haft nehmen. Wäre das überhaupt umsetzbar?

Von Laura Bisch, ARD-faktenfinder

CDU-Chef Friedrich Merz bestimmt nicht nur mit seinen Forderungen zur Migrations- und Asylpolitik die aktuellen Debatten, sondern auch mit seinen Praktiken. So erhielt die oppositionelle Unionsfraktion zuletzt für Teile ihrer Forderungen eine Mehrheit im Bundestag - mit den Stimmen der AfD. Das löste viel Kritik aus - nicht zuletzt von Alt-Kanzlerin Angela Merkel.

Doch auch nachdem das Parlament einen Fünf-Punkte-Plan der CDU damit beschlossen hat, stellt sich weiter die Frage nach der Umsetzbarkeit - zum Beispiel in Sachen Inhaftnahme vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer. Denn ein Punkt des Plans sieht vor, verfügbare Liegenschaften, darunter leerstehende Kasernen und Containerbauten, zur Verfügung zu stellen. Aber geht das so einfach?

CDU: Vollziehbar Ausreisepflichtige in Haft nehmen

In dem Fünf-Punkte-Plan "für sichere Grenzen und das Ende der illegalen Migration" der CDU heißt es: "Personen, die vollziehbar ausreisepflichtig sind, dürfen nicht mehr auf freien Fuß sein. Sie müssen unmittelbar in Haft genommen werden. Die Anzahl an entsprechenden Haftplätzen in den Ländern muss dafür signifikant erhöht werden. Der Bund wird die Länder dabei unterstützen und schnellstmöglich alle verfügbaren Liegenschaften, darunter leerstehende Kasernen und Containerbauten, zur Verfügung stellen."

Nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge - kurz BAMF - gab es zum Stichtag 31. Dezember 42.296 sogenannte "vollziehbar ausreisepflichtige" Menschen in Deutschland. Laut Kilian Umbach, Migrationsforscher an der Uni Konstanz, sind das Menschen, die kein Aufenthaltsrecht in Deutschland haben und bei denen die Abschiebung möglich ist.

Das trifft demnach zu, wenn ein Mensch entweder unerlaubt eingereist ist, der Aufenthalt nicht oder nicht mehr erlaubt ist oder aufgrund einer Rückführungsentscheidung eines anderen EU-Mitgliedstaates ausreisepflichtig wird. Ein sogenannter Aufenthaltstitel erlischt laut Umbach zum Beispiel, weil er abläuft und ein neuer Aufenthaltstitel gleichzeitig nicht mehr erteilt wird, weil die Person etwa nicht arbeitet.

Gruppen nicht immer voneinander abgrenzbar

Umbach weist jedoch darauf hin, dass die Gruppe der vollziehbar Ausreisepflichtigen und die der Geduldeten teils verschwimmt. Demnach kann es Fälle geben, bei denen eine vollziehbar ausreisepflichtige Person geduldet wird. Eine Duldung bedeute nicht zwangsläufig, dass die Betroffenen nicht abgeschoben werden könnten - denn die Duldung könne im Einzelfall schnell entzogen werden. Eine Duldung sage nur aus, dass die Abschiebung gerade nicht möglich ist. Gründe dafür könnten beispielsweise eine Krankheit sein, wenn kein Reisepass vorliege oder kein Flugzeug zur Abschiebung bereitstehe.

Wann kann man Menschen inhaftieren?

Laut Umbach sei es zudem nicht ohne weiteres möglich, Menschen in Abschiebehaft zu nehmen - auch dann nicht, wenn sie als vollziehbar ausreisepflichtig gelten. Um eine Abschiebehaft rechtlich zu rechtfertigen, müssen dem Migrationsrechtler zufolge bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Eine davon kann demnach etwa eine bestehende Fluchtgefahr sein. Von der geht man laut Umbach zum Beispiel aus, wenn Personen über ihre Identität täuschen oder sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen haben. Diese Voraussetzungen seien bei vielen der vollziehbar Ausreisepflichtigen aber nicht erfüllt.

Um das EU-Recht so zu verschärfen, dass mehr Ausreisepflichtige inhaftiert werden können, gab es zuletzt ein Treffen der EU-Innenminister. Das Ergebnis des Treffens: eine Verschärfung der EU-Rückführungsrichtlinie. Bis März soll es einen verbindlichen Vorschlag geben. Doch die Änderung von Richtlinien dauere meist mehrere Monate, schätzt Migrationsrechtler Umbach.

Abschiebehaft - viele Kosten, wenig Nutzen?

Auch wenn eine Abschiebehaft nichts mit dem Strafvollzug zu tun habe und auch in getrennten Einrichtungen stattfinde, gehe es um geschlossene Einrichtungen, die Haftpersonal haben - ordnet Umbach ein. "Es gibt genauso wie im Gefängnis auch Besuchszeiten, Anforderungen an Telefonate, an Kontakte mit Anwältinnen und Anwälten." Deswegen seien solche Einrichtungen deutlich anspruchsvoller zu betreiben - und damit auch teurer als normale Unterbringungseinrichtungen für Asylsuchende.

Bei der Frage nach der Sinnhaftigkeit von Abschiebehaft für diese Menschen geht es laut Umbach aber nicht nur um eine Kostenfrage, sondern auch um die des Nutzens. Denn in vielen Fällen sei es so, dass man den Vollzug der Abschiebung trotz Haft nicht hinbekomme. Das kann laut dem Migrationsrechtler mehrere Gründe haben - darunter nicht genug Flugzeuge, nicht genug Kooperation mit den Herkunftsstaaten wie etwa die Weigerung dieser, die Personen zurückzunehmen.

Das Ganze sei nicht so einfach, "wie es leider gerade suggeriert wird in der Öffentlichkeit". Am Ende gehe es - so Umbach - eher um den Vollzug der Abschiebungen: "Wenn die Politik mehr Abschiebungen möchte, dann ist das oft auch ohne den starken Grundrechtseingriff der Inhaftierung möglich."

93 Immobilien angeboten - welche, ist unklar

Zudem stellt sich die Frage nach den leer stehenden Immobilien, in denen das Ganze nach dem CDU-Vorschlag logistisch abgewickelt werden soll. Auf die Frage, wie viele verfügbare Immobilien es derzeit für die Umsetzung der CDU-Pläne in Deutschland gibt, antwortete die zuständige Bundesanstalt für Immobilien (BImA), man biete den Ländern und Kommunen bundesweit aktuell insgesamt 93 sogenannte Liegenschaften oder Teilbereiche daraus für die Unterbringung von Asylbegehrenden und Flüchtlingen an.

Das heißt: mietzinsfrei. Ob diese Immobilien "auch für andere Nutzungen" geeignet seien und unter welchen rechtlichen Rahmenbedingungen das möglich wäre, müsse geprüft werden, so die BImA weiter.

Grundsätzlich beschrieb die BImA den Prozess rund um die Immobilien so: Die Bundesanstalt bietet den Bedarfsträgern - also Ländern, Landkreisen und Kommunen - mögliche Immobilien an. Die Entscheidung, ob diese tatsächlich genutzt würden, entscheiden aber wiederum die Bedarfsträger. Denn die betreiben die Einrichtungen vor Ort laut der BImA. Der Bund trägt demnach aber Kosten, falls die Immobilien hergerichtet werden müssen.

Auf die Frage, ob unter den Objekten auch leerstehende Kasernen oder Containeranlagen seien, hieß es nur, es gehe um "Objekte unterschiedlicher Art". Diese verteilen sich auf die Bundesländer. Das Justizministerium Baden-Württemberg ließ auf die Nachfrage nach leer stehenden Kasernen etwa mitteilen, über bereits genutzte Einrichtungen hinaus seien grundsätzlich geeignete leerstehende Kasernen nicht bekannt.

ArrivalAid: Duldung "teilweise völlig unverschuldet"

Die gemeinnützige Organisation ArrivalAid Stuttgart weist zudem daraufhin, "dass eine Vielzahl von Menschen, die vollziehbar ausreisepflichtig sind, keine hartnäckigen Integrationsverweigerer, Identitätsverschleierer, Täuscher oder potenzielle Straftäter sind". Nach Angaben von ArrivalAid Stuttgart gibt es eine Vielzahl an Gründen, weshalb Personen "teilweise völlig unverschuldet" in den Status einer Duldung rutschen.

Das sei beispielsweise der Fall, wenn Dokumente aus dem Herkunftsland, die zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zwingend notwendig sind, nicht oder nicht rechtzeitig beschafft werden könnten. Ein weiterer möglicher Grund sei der Personalmangel in Ausländerbehörden sowie anderen Ämtern, die bei der Erteilung eines Aufenthaltstitels hinzugezogen werden müssen. So könne eine zügige Ausstellung der Organisation zufolge teilweise mehr als zwölf Monate und länger verzögert werden.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 02. Februar 2025 um 14:10 Uhr.