Bundestagswahl 2025

Polizisten stehen am Rande der Wahlkampftour von Christian Lindner zur Bundestagswahl 2025 auf dem Erfurter Domplatz.
analyse

Bundestagswahlkampf "Sehnsucht nach einfachen Antworten"

Stand: 14.02.2025 15:36 Uhr

Der Wahlkampf geht in die Endphase, begleitet vom dritten Anschlag auf eine Menschengruppe in kurzer Zeit. Für die Wahlkämpfenden bedeutet das, sich zu einem heiklen Thema zu äußern, das immer wichtiger wird.

Eine Analyse von Corinna Emundts, tagesschau.de

Wieder ein abgelehnter Asylbewerber als Beschuldigter, wieder ein Kind unter den Opfern - eine weitere grausame Tat kurz vor der Bundestagswahl: Für die politischen Wettbewerber wird der Wahlkampf auf den letzten Metern zum echten Ernstfall. Gerade für jene Parteien, die vielleicht noch im Dezember gehofft hatten, vor allem über Wirtschaft und Soziales sprechen zu können. Doch die abendlichen Runden im Fernsehen entlassen die Spitzenkandidaten und -kandidatinnen nicht aus der Verantwortung - mit der Tat in München verknüpft sich die Migrationspolitik und die Frage nach mehr Sicherheit.

"Wir haben Angst - Angst, dass das so weitergeht", sagt eine Hausfrau aus Solingen am Mittwochabend in der ZDF-Sendung "Klartext" Bundeskanzler Olaf Scholz ins Gesicht. Sie fragt ihn, ob er als Regierungsmitglied nicht eine moralische Schuld an jedem Mord habe, der stattgefunden habe, wenn die Regierung nichts ändere.

Bürgerin: "Wir haben Angst"

In Solingen waren im August 2024 drei Menschen bei einem Stadtfest durch einen Terroranschlag mit mutmaßlich islamistischem Hintergrund gestorben. Allein im Bundestagswahlkampf gab es drei Anschläge mit ähnlichem Muster: in Magdeburg, Aschaffenburg und nun in München; zehn Tage vor der Bundestagswahl. Das sei mindestens "gefühlter Terror", so die Einschätzung des ARD-Terrorismusexperten Michael Götschenberg.

In der ZDF-Sendung sagt Kanzler Scholz zu der Zuschauerin: "Aus meiner Sicht müssen wir innere Sicherheit mit größter Priorität behandeln." Ob diese Ankündigung die Fragestellerin beruhigen wird?

Migration ist schon länger zum Hauptthema in diesem Wahlkampf geworden, vergleichbar mit dem Wahlkampf 2017 - sei es in der Liste der für die Wählenden "Wichtigen Themen" im ARD-DeutschlandTrend wie auch im Wahlkampf selbst.

Das Bedürfnis nach Sicherheit sei in der Gesellschaft ausgeprägt, erläuterte Politologin Sabine Kropp im Gespräch mit tagesschau.de, ebenso wie die "Sehnsucht nach einfachen Antworten".

Der in Teilen rechtsextremen AfD, die derzeit in der Wählergunst auf Platz zwei liegt, komme hier eine diskursprägende Rolle zu - im Vergleich zum Bundestagswahlkampf Laschet-Scholz 2021 erhält die Partei inzwischen mit 21 Prozent doppelt so viel Zuspruch bei der Wählerschaft. Der jüngste Anschlag dürfte diesen Trend stabilisieren.

Die Partei fährt einen klaren Anti-Migrations-Kurs. "Wir brauchen umgehend eine Migrationswende: Grenzkontrollen, Migrationsstopp, Ausweisung aller Ausreisepflichtigen und Straftäter", postet AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel am Nachmittag des Anschlags. Und greift CSU-Ministerpräsident Markus Söder in der Sache an, den Täter nicht abgeschoben zu haben.

Merz: "Es muss sich etwas ändern"

Scholz-Herausforderer und Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz versucht spätestens seit dem Anschlag in Aschaffenburg im Januar, das Thema Migration besonders stark zu bedienen. Er nahm sogar die Abgeordneten-Stimmen der AfD-Fraktion bewusst in Kauf, um für einen Entschließungsantrag im Bundestag eine Mehrheit zu erhalten.

In aktuellen Wählerumfragen hat ihm das nicht geschadet, seine Partei legte sogar einen Prozentpunkt zu. "Es muss sich etwas ändern in diesem Land", postet Merz auf der Digitalplattform X drei Stunden nach der jüngsten Tat - und knüpft damit an seine bisherigen Wahlkampf-Botschaften an.

Die Wahlkämpfenden sehen sich offenbar gezwungen, schnell zu reagieren - zumindest mit Worten. Grünen-Spitzenkandidat und Vizekanzler Robert Habeck ist am Tag der Tat in München auf der Plattform X mit einer Videobotschaft zu vernehmen: Auch diese Tat zeige, "wie notwendig eine umfassende Sicherheitsoffensive ist, die die bekannten Defizite schließt". Gerade die Grünen um Habeck wissen, dass sie in diesem Wahlkampf klare Signale senden müssen, um beim Thema Migration und Sicherheit nicht als Laissez-faire-Partei zu gelten.

Meinungsklima bleibt wohl eher stabil

Eine wirkliche Wende im Bundestagswahlkampf ist durch den Münchner Anschlag nicht zu erwarten. Die Briefwahl ist angelaufen. Die Zahl der Unentschlossen ist nicht höher als üblich, vielleicht sogar eher etwas niedriger.

Das Attentat wird die voraussichtlichen Wahlabsichten und -entscheidungen eher nur bestätigen, da das Thema Migration auf der Umfrage-Agenda schon länger deutlich oben steht. "So traurig es ist, aber es ist ja für die Menschen überhaupt nichts Neues, was gestern passiert ist", sagt Wahlforscher Stefan Merz dazu auf Nachfrage von tagesschau.de.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 14. Februar 2025 um 15:53 Uhr.