CDU-Kanzlerkandidat Merz spricht im Bundestag

Bundestag berät Finanzpaket Angebot, Ablehnung und schwere Vorwürfe

Stand: 13.03.2025 15:17 Uhr

Mit Zugeständnissen - etwa beim Klimaschutz - wollen Union und SPD die Zustimmung der Grünen für ihr milliardenschweres Finanzpaket gewinnen. Doch die lehnen das weiter ab und werfen CDU-Chef Merz Unehrlichkeit vor.

Im Ringen um ihr Finanzpaket sind Union und SPD laut eigenen Worten bereit, deutliche Schritte auf die Grünen zuzugehen. Der wahrscheinlich künftige Kanzler Friedrich Merz bot in einer Sondersitzung des Bundestags an, einen Teil des geplanten 500 Milliarden Euro schweren Infrastruktur-Sondervermögens fest für den Klimaschutz vorzusehen.

Andrea Römmele, Politikwissenschaftlerin, zum Schlagabtausch zum Sondervermögen im Bundestag

tagesschau24, 13.03.2025 18:00 Uhr

Bis zu 50 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen sollten in den Klima- und Transformationsfonds fließen, sagte der CDU-Politiker. Damit könne Deutschland nicht nur bei der Verteidigung, sondern auch bei der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und beim Klimaschutz einen großen Sprung nach vorn machen. "Was wollen Sie noch mehr?", fragte Merz die Grünen.

Grüne werfen Merz Parteitaktik vor

Die Grünen erteilten dem CDU-Chef umgehend eine klare Absage. Co-Fraktionschefin Katharina Dröge sagte an Merz gewandt, falls dieser sich frage, warum die Verhandlungen mit den Grünen gerade so liefen, wie sie liefen, dann antworte sie ihm: "Weil wir uns nicht auf Ihr Wort verlassen."

Nirgends werde garantiert, dass die Ausgaben aus dem Sondervermögen wirklich zusätzlich seien. "Und wer von uns die Zustimmung für Hunderte von Milliarden Euro haben will für die Investitionen in dieses Land, der muss damit rechnen, dass wir darauf schauen, dass das Geld auch wirklich in die Infrastruktur in diesem Land gesteckt wird und nicht in Steuersenkungen", sagte Dröge.

Die Grünen befürchten, dass Ausgaben aus dem Kernhaushalt in das Sondervermögen ausgelagert werden könnten, sodass dort Geld frei wird für Wahlversprechen wie die Mütterrente und eine Steuersenkung bei der Gastronomie.

Dröge warf Merz Parteitaktik vor und erinnerte daran, dass SPD und Grüne vor der Wahl mehrfach eine Reform der Schuldenbremse ins Spiel gebracht hätten. "Sie haben dieses Angebot damals mehrfach abgelehnt", sagte sie zu Merz. "Weil Sie noch nie in der Lage waren, die Interessen dieses Landes an die erste Stelle zu stellen und nicht Ihre eigenen."

Christoph Mestmacher, ARD Berlin, zu den Beratungen im Bundestag über Grundgesetzänderung

tagesschau24, 13.03.2025 16:00 Uhr

"Mit dem heutigen Tage nicht besser geworden"

Auch Dröges Co-Fraktionschefin Britta Haßelmann sagte, die Zustimmung ihrer Fraktion stehe in Frage. "Das ist mit dem heutigen Tage nicht besser geworden", sagte Haßelmann. "Ich zweifle einfach am Verhandlungsgeschick mancher Kollegen." Seit Tagen gebe es Gespräche. "Aber Angebote an unzureichende Gesetzentwürfe macht man weder über die Mailbox noch im Plenum, wenn man will, dass sie Erfolg haben." Haßelmann hatte schon vor Tagen bemängelt, dass Merz sie per Mailbox-Nachricht über die Einigung zwischen CDU, CSU und SPD bei den Sondierungsgesprächen informiert habe.

Zustimmung von Grünen oder FDP nötig

Das geplante Multimilliarden-Finanzpaket soll die Grundlage für eine neue schwarz-rote Koalition bilden. Konkret haben sich CDU, CSU und SPD vorgenommen, Verteidigungsausgaben ab einer bestimmten Summe von der Schuldenbremse auszunehmen. Alles, was über einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegt, also über etwa 44 Milliarden Euro, soll aus Krediten finanziert werden dürfen. Nach oben soll es keine Grenze geben.

Die Länder sollen außerdem mehr Spielraum für eigene Verschuldung bekommen. Zudem ist ein Sondervermögen für Investitionen in die Infrastruktur mit Krediten von bis zu 500 Milliarden Euro geplant. Das soll es Deutschland nicht nur ermöglichen, das Zweiprozentziel der NATO zu erfüllen und die Bundeswehr fit zu machen, sondern auch den riesigen Investitionsstau beispielsweise bei Autobahnen, Brücken, Energienetzen, Kitas und Schulen anzugehen.

Ohne die Zustimmung von Grünen oder FDP kann das Paket im Bundestag aber nicht beschlossen werden - denn allein haben Union und SPD nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit für eine Änderung des Grundgesetzes. Doch keine der beiden Fraktionen ist bisher zur Zustimmung bereit.

SPD gegen Trennung von Verteidigung und Infrastruktur

Mit den Grünen gibt es seit Tagen Gespräche. Die Partei schlägt vor, erst einmal nur eine Änderung der Schuldenbremse für die Verteidigung zu beschließen - und auch Ausgaben unter anderem für Nachrichtendienste und Cyberabwehr einzuschließen. In diesem Punkt ging Merz in seiner Rede in der Sondersitzung auf die Grünen zu und schlug vor, die Schuldenbremse auch für Zivil- und Bevölkerungsschutz sowie Nachrichtendienste zu lockern.

Über das Infrastrukturpaket soll nach dem Willen der Grünen aber erst im neuen Bundestag und auch mit der Linken verhandelt werden. Das will aber die SPD nicht, weil sie fürchtet, dass es dann kein zusätzliches Geld für die Infrastruktur geben wird. Beide Vorschläge gehörten zusammen, sagte SPD-Partei- und Fraktionschef Lars Klingbeil. "Wir müssen unser Land wieder auf Vordermann bringen." Deutschland könne sich ein Scheitern nicht leisten.

Auch die FDP betonte ihre ablehnende Haltung zum Finanzpaket. Fraktionschef Christian Dürr warf Merz eine "linke Wirtschaftspolitik" vor. Die Vorschläge von CDU/CSU und SPD führten zu einer höheren Inflation und gefährdeten die Tragfähigkeit der europäischen Finanzen.

Mögliche Hürden im Bundesrat und Bundesverfassungsgericht

Die endgültige Abstimmung über die geplanten Grundgesetzänderungen ist für kommenden Dienstag geplant. Scheitern könnte das Vorhaben auch noch am Bundesrat, der ebenfalls mit zwei Dritteln der Stimmen Ja sagen muss.

Außerdem steht noch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus, das sich damit beschäftigt, ob der alte Bundestag mit so kurzen Fristen und wenig Zeit überhaupt noch eine Grundgesetzänderung beschließen darf. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Gericht die Sitzung noch kurzfristig untersagt.

Beginn der Koalitionsverhandlungen

Ungeachtet all dieser Unsicherheiten arbeiten Union und SPD weiter auf eine gemeinsame Bundesregierung hin. Den Auftakt der Koalitionsverhandlungen macht eine größere Runde heute Abend in der CDU-Zentrale. Dann beginnt die Arbeit in 16 thematischen Arbeitsgruppen.

Als Grundlage hatten sich Union und SPD in Sondierungen auf zentrale Punkte verständigt, es sind aber noch zahlreiche Fragen für einen möglichen Koalitionsvertrag zu klären. Damit das möglichst geräuschlos läuft, gibt es strenge Vorgaben für die Arbeitsgruppen: keine Pressekonferenzen, keine Kommunikation von Zwischenergebnissen, keine Selfies.

Markus Preiß, ARD Berlin, zu Bundestagsdebatte über die geplanten Sondervermögen

tagesschau, 13.03.2025 20:00 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 13. März 2025 um 15:00 Uhr.