Bundestagswahl 2025

Olaf Scholz spricht im Bundestag.

Letzte Bundestagsdebatte vor Wahl Scharfe Angriffe, harte Vorwürfe

Stand: 11.02.2025 13:01 Uhr

"Desaster", "Wählertäuschung", "80er-Jahre-Programm": In der letzten Debatte vor der Bundestagswahl sind die Spitzenkandidaten der Parteien schonungslos miteinander ins Gericht gegangen.

Zum Auftakt der letzten Plenardebatte vor der Bundestagswahl am 23. Februar haben sich Spitzenkandidaten der Parteien scharf angriffen. Konkrete inhaltliche Vorhaben, vor allem in den Bereichen Migration, Wirtschaft und Klimaschutz, wurden vom teils persönlichen Schlagabtausch und unruhiger Stimmung im Parlament überdeckt.

Christoph Mestmacher, ARD Berlin, zur letzten Generaldebatte im Bundestag

tagesschau24, 11.02.2025 11:00 Uhr

Scholz stimmt Bevölkerung auf trübe Aussichten ein

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der als erster sprechen durfte, griff in seiner Rede erneut seinen Konkurrenten Friedrich Merz (CDU) für das Abstimmungsverhalten in der vorvergangenen Woche an. "Die Bürgerinnen und Bürger wissen jetzt: Wenn Friedrich Merz den Kompromiss unter Demokraten zu schwierig findet, dann macht er gemeinsame Sache mit denen da", sagte Scholz mit Blick auf Merz' Inkaufnahme von AfD-Stimmen. Mit Forderungen von Zurückweisung aller Flüchtlinge an deutschen Grenzen würde Merz "die Axt an den europäischen Zusammenhalt" anlegen.

Die Zeiten würden vorerst nicht einfacher werden, so Scholz. "Der Wind kommt derzeit von vorn. Und die Wahrheit ist: Das wird sich auch in den kommenden Jahren nicht grundlegend ändern", sagte er und verwies auf den russischen Krieg gegen die Ukraine und von US-Präsident Donald Trump ausgelöste Unsicherheiten auf der ganzen Welt.

Merz greift Scholz und Habeck an - und bietet Zusammenarbeit an

Unions-Kanzlerkandidat Merz wies die Spekulationen des Kanzlers über eine Zusammenarbeit mit der AfD erneut zurück. "Es kommt nicht infrage, und dabei wird es natürlich auch bleiben." In seiner Rede kritisierte er die Ampel-Regierung, griff aber vor allem Scholz und den Grünen-Kandidaten Robert Habeck an. Die seien "wie zwei angestellte Geschäftsführer, die ein Unternehmen vor die Wand gefahren haben", und trotzdem weitermachen wollten. Die Regierung hinterlasse ein "schieres Desaster" auf dem Arbeitsmarkt. Scholz verlasse das Bundeskanzleramt mit fast drei Millionen Arbeitslosen, fast 400.000 mehr als zu Beginn der Amtszeit.

Trotz seiner Angriffe auf SPD und Grüne bot Merz allen Parteien der "demokratischen Mitte" für die Zeit nach der Wahl die Zusammenarbeit an, "um extreme Kräfte von links und rechts zurückzudrängen". Dass sich die AfD bei der Bundestagswahl wahrscheinlich verdoppeln werde, sei Folge der Politik der Ampelkoalition. Die nächste Bundesregierung werde "möglicherweise eine der letzten Chancen" haben, aus der Mitte heraus die Probleme des Landes in der Migrationspolitik, in der Wirtschaftspolitik und in der Innenpolitik zu lösen.

Habeck fordert Konsequenz beim Klimaschutz

Habeck warf Merz vor, nicht über die Zukunft des Landes zu sprechen und ein Wahlprogramm zu haben, das eine "Wiederholung der 80er-Jahre" sei. Das wichtigste Zukunftsthema sei der Schutz des Klimas und der Kampf gegen die globale Erderwärmung. Es stehe "die Richtungsentscheidung an, ob wir gegenüber dieser historischen Aufgabe standhalten".

Der Bundeswirtschaftsminister erinnerte an das Urteil des Verfassungsgerichts aus dem Jahr 2021 zum Klimaschutz und verglich die Lage außerdem mit der Wahl 2021. Damals habe es über die Klimaziele einen Konsens innerhalb der demokratischen Parteien gegeben. Er appellierte an Vertrauen in die deutsche Autoindustrie, wettbewerbsfähige und klimaneutrale Antriebe produzieren zu können. Als weitere große Zukunftsaufgabe nannte Habeck das Thema Bildung. "Wir wollen ein großes Investitionsprogramm auflegen für die Schulen und für die Kitas", sagte er.

Lindner mach Rot-Grün für Erstarken der AfD verantwortlich

Als vierter Redner sprach FDP-Chef Christian Lindner und warf Scholz und Merz vor, in der Wirtschaftspolitik planlos zu sein. Das TV-Duell der beiden am vergangenen Sonntag sei geprägt gewesen von einer "erschütternden Ideenlosigkeit" mit Blick auf die erforderliche Wirtschaftswende in Deutschland. Lindner führte aus, dass Scholz den Anschluss an die Realität der Unternehmen in Deutschland verloren habe. Die wollten keine Verbote oder neue Subventionen, sondern eine "Reduzierung der Steuerlast" und "Ideologiefreiheit in der Klima- und Energiepolitik".

Auch Lindner machte seine ehemaligen Koalitionspartner SPD und Grüne für das Erstarken der AfD verantwortlich. "Alles, was die groß macht, kommt von Ihnen", sagte Lindner. Er nannte konkret "wirtschaftliche Stagnation, Bevormundung, Heizungschaos durch ideologische Klimapolitik und Verweigerung der Begrenzung der Migration". Lindner warb in seiner Rede für klassische FDP-Positionen wie Steuersenkungen, Bürokratieabbau, einen schlankeren Sozialstaat, das Festhalten an der Schuldenbremse und Technologieoffenheit.

Weidel wirft Merz Wählertäuschung vor

AfD-Co-Chefin Alice Weidel warf Merz vor, Wählertäuschung zu betreiben. "Sie werden mit SPD und Grünen nichts von Ihren Versprechen umsetzen können", sagte sie mit Blick auf mögliche Koalitionen nach der Wahl. Weidel bot der Union erneut eine Zusammenarbeit an und wiederholte ihre Forderung, den Euro abzuschaffen und durch eine nationale Währung zu ersetzen. Nur mit der AfD werde eine "Migrationswende, die Wirtschafts-, Energie- und Steuerwende und das Umsteuern in der Gesellschaftspolitik" möglich sein. Die Hand der AfD sei ausgestreckt. "Und es liegt an Ihnen, ob Sie diese Hand ergreifen", so Weidel.

In ihrer Rede beschwerte sie sich über Zwischenrufe aus den Reihen der Grünen: "Dieses Geifern geht wirklich auf den Sender", sagte sie und rief, die Grünen hätten im Bundestag nichts verloren. "Sie haben alle noch nie in ihrem Leben gearbeitet!" Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) reagierte auf eine Beschwerde Weidels über die Zwischenrufe mit den Worten: "Das können Sie Ihrer eigenen Fraktion ja auch mal sagen, die hier permanent reinrufen."

Reichinnek pocht auf soziale Themen

Die Vorsitzende der Linken-Gruppe, Heidi Reichinnek, kritisierte in ihrer Rede, soziale Themen spielten im Wahlkampf so gut wie keine Rolle. Genau diese Themen interessierten die Bürgerinnen und Bürger aber tatsächlich. Die Bilanz der Ampel-Regierung hinsichtlich der Wohnpolitik sei katastrophal. Mieten seien auf neuem Höchstniveau wie nie und "nicht mal die zahnlose Mietpreisbremse haben Sie verlängert", so Reichinnek zu Scholz.

Union und FDP warf sie vor, mit ihren Steuerplänen "die reichsten zehn Prozent nochmal mit 50 Milliarden zusätzlich beschenken". Reichinnek forderte stattdessen Steuerentlastungen für niedrige und mittlere Einkommen.

Wagenknecht warnt vor Krieg

Die Vorsitzende des BSW, Sahra Wagenknecht, warnte vor einem Krieg: "Diese Hölle" komme, wenn nach dem Willen Merz', Habecks und Lindners "deutsche Soldaten 'Taurus'-Marschflugkörper programmieren, die die Ukraine tief auf russisches Territorium schießen könnte".

Sie warf Scholz vor, "Kanzler des Abstiegs" zu sein für die meisten Menschen in Deutschland. Langes Warten auf Arzttermine und eine schlechtere Bildung für Kinder als noch vor drei Jahren gingen auf das Konto von Scholz. Auch Merz ging sie an. Mit ihm als Kanzler würde kaum etwas besser werden. "Auch die CDU hat keinen Plan für die Zukunft", so Wagenknecht.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 11. Februar 2025 um 11:00 Uhr.