Bundestagswahl 2025

Olaf Scholz und Friedrich Merz

TV-Duell vor der Bundestagswahl Scholz angriffslustig, Merz betont staatsmännisch

Stand: 10.02.2025 07:34 Uhr

90 Minuten lang debattierten Scholz und Merz: Die Kanzlerkandidaten von SPD und Union sind beim TV-Duell aufeinandergetroffen. Scholz attackierte Merz mehrfach - der gab sich gelassen.

Zwei Wochen vor der Bundestagswahl haben sich Bundeskanzler Olaf Scholz und Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz beim ersten TV-Duell einen Schlagabtausch geliefert. Union und SPD sehen ihre Kanzlerkandidaten jeweils als Gewinner. CSU-Chef Markus Söder sagte in der ARD-Sendung Caren Miosga, Merz sei für ihn der "eindeutige und klare Sieger". Er habe auf die Angriffe von Amtsinhaber Scholz "souverän" reagiert.

SPD-Chef Lars Klingbeil lobte seinerseits Scholz' Auftritt und bezeichnete den Kanzler als "sehr faktenstark". Der Auftritt des CDU-Chefs habe dagegen dessen "Zickzackkurs" verdeutlicht, zum Beispiel in seiner Haltung zur Lieferung der "Taurus"-Marschflugkörper in die Ukraine.

Migration und Wirtschaft dominieren

In der ersten Debatte in ARD und ZDF hatten sich Scholz und Merz zuvor unversöhnlich gezeigt. Scholz war angriffslustiger, Merz gab sich staatsmännisch.

Zwei Themen dominieren diesen Wahlkampf: Migration und Wirtschaft. Hatte Merz ursprünglich noch erklärt, keinen Migrationswahlkampf führen zu wollen, ist das Thema nach der Gewalttat in Aschaffenburg gesetzt. Und obwohl Merz sich selbst wohl eher Kompetenzen beim Thema Wirtschaft zugeschrieben hatte, scheint er sich mit den harten Verschärfungen beim Asylrecht arrangiert zu haben. Immer wieder trägt er seine Kritik an der Ampelkoalition dazu vor - so auch bei der TV-Debatte.

"Sie kriegen es in Ihrer Koalition nicht so hin, wie es notwendig wäre", hielt er Scholz vor. Der Kanzler nehme die Realität in Bund und Ländern beim Thema Migration nicht mehr wahr. "Sie leben nicht in dieser Welt", sagte Merz. "Was Sie hier erzählen, ist ein Märchenschloss."

Scholz will "harten Kurs" bei Migration fortsetzen

Scholz wiederum versprach für die Zeit nach der Wahl, einen "harten Kurs" in der Asylpolitik fortzusetzen. "Es hat noch nie schärfere Gesetze gegeben, als die, die ich durchgesetzt habe", sagte der SPD-Politiker. Die Zahl der Asylsuchenden nehme ab - und auch in Europa komme man bei der Migrationssteuerung voran.

Deutschland dürfe Gewalttaten wie die von Aschaffenburg nicht akzeptieren, sagte der Kanzler. "Wir können uns niemals abfinden mit solchen Taten und deshalb muss klar und entschieden gehandelt werden."

Die Pläne der Union zur Zurückweisung von Migranten an der Grenze wies Scholz erneut als rechtswidrig zurück und warnte vor einer "europäischen Krise". Er drängte Merz zudem dazu, dem von der Regierung vorgelegten Gesetz zur Umsetzung der europäischen Asylreform (GEAS) zuzustimmen. "Warum soll man so doof sein", dies nicht zu tun, fragte er.

Merz weist Anschuldigung, mit AfD zusammenzuarbeiten, zurück

Scholz warf Merz erneut einen "Wortbruch" und einen "Tabubruch" vor, weil die Union im Bundestag ihren Fünf-Punkte-Plan zur Migration mit den Stimmen der AfD durchgesetzt hat. Er traue dem CDU-Vorsitzenden zu, nach der Wahl eine Koalition mit der AfD einzugehen. "Das ist meine ernste Sorge."

Merz wies das zurück: "Es wird diese Zusammenarbeit nicht geben", sagte er. "Wir werden das nicht tun." Union und AfD trennten in den Sachfragen Welten.

Die gemeinsame Abstimmung von Union, FDP und AfD hatte Ende Januar zu einem Eklat im Bundestag geführt. Einen Gesetzentwurf brachte Merz zwei Tage später wegen Abweichlern in seiner eigenen Fraktion und in der FDP aber nicht durch den Bundestag.

Scholz hatte den Unions-Kanzlerkandidaten im Bundestag als "Zocker" bezeichnet. Dem Versprechen der Union, dass es keinerlei Zusammenarbeit mit der AfD geben werde, vertraut nach einer Umfrage nur jeder zweite Wähler. Dem aktuellen ARD-DeutschlandTrend zufolge glauben 44 Prozent, dass Friedrich Merz keine Koalition mit der AfD eingehen wird. 43 Prozent sind aber auch gegenteiliger Ansicht.

Wirtschaftspolitik zweites großes Streitthema

Im Anschluss ging es bei dem TV-Duell um Wirtschaftspolitik. Merz warf Scholz eine gestörte Wahrnehmung bei der krisenhaften Lage vor. "Ich bin einigermaßen erschüttert, mit welcher Wahrnehmung Sie hier heute Abend den Zustand unserer Wirtschaft beschreiben", sagte der Unions-Kanzlerkandidat.

Scholz hatte zuvor erklärt, es gebe keine Deindustrialisierung in Deutschland. Merz hielt dem Kanzler entgegen, es gebe im Land eine Insolvenzwelle wie nie in den vergangenen 15 Jahren. "50.000 Unternehmen sind in Ihrer Amtszeit in Deutschland in die Insolvenz gegangen, fast die Hälfte davon im letzten Jahr", sagte Merz.

Scholz räumte ein: "Es ist was los, und wir müssen was tun." Der Kanzler verwies aber unter anderem auf eine steigende Zahl von Erwerbstätigen. Zudem gebe es in Deutschland die zweitniedrigste Arbeitslosigkeit unter allen wirtschaftsstarken Demokratien der G7-Gruppe.

Knackpunkte Steuern und Verteidigung

Mit Blick auf die Steuerpolitik will Scholz fast alle Arbeitnehmer entlasten - bis auf die Topverdiener in der Gesellschaft. Auch "Leute wie ich und Sie", damit meinte er sich selbst und Merz, sollten mehr Steuern zahlen. Und: "Die Leute, die noch mehr verdienen als ich und Sie, die sollen auch gerne mehr Steuern zahlen. Das möchte ich, das halte ich für gerecht", sagte der Kanzler.  

Was CDU-Chef Merz als Beleg nimmt, dass die SPD nicht rechnen könne und von der Wirtschaft nichts verstehe. "Wenn das so kommt wie Sie es versprechen mit der Absenkung für 95 Prozent der Einkommensbezieher," so Merz, "dann müssen Sie einen Spitzensteuersatz von 60 Prozent erheben. Dann werden Sie endgültig den Mittelstand in Deutschland vernichten."  

Uneinigkeit gab es auch beim Thema Verteidigung. Zwei Prozent vom Sozialprodukt soll Deutschland in die Bundeswehr stecken, fordert die NATO - aber woher soll das Geld kommen? Merz setzt auf eine Erholung der Konjunktur: "Der entscheidende Punkt ist: Wir müssen wachsen. Wir werden auch über zwei Prozent gehen müssen, und wir werden natürlich auch Prioritäten im Haushalt neu setzen müssen."

Das lockte den Bundeskanzler aus der Reserve: Er wirft Merz vor, die Menschen zu täuschen. "Es gibt kein Wirtschaftswachstum, was 30 Milliarden Euro zusätzlich für die Bundeswehr finanzieren kann. Es würde also bei Rente, Gesundheit, Pflege, Straßen, Bahn, Modernisierung unserer Wirtschaft geholt." Für Scholz geht es also nur mit einer Reform der Schuldenbremse.  

Scholz angriffslustig, Merz nutzt direkte Ansprache

Scholz nannte Merz' Äußerungen mehrfach "lächerlich" und warf ihm vor, "Sprechblasen" vorzutragen. Er redete zunächst auch länger. Das führte nach 50 Minuten dazu, dass die Moderatorin Maybrit Illner erstmals eingreifen musste, weil er drei Minuten mehr auf seinem Konto hatte.

Merz parierte die Angriffe des Kanzlers betont gelassen. Er sprach Scholz mehrfach direkt an und stellte ihm Fragen.

Als die 90 Minuten geschafft waren, zeigte sich Erleichterung in den Gesichtern beider Kontrahenten. Während des Abspanns gaben sich beide freundlich die Hand.

Das Fernsehduell markierte den Start in die heiße Schlussphase des Wahlkampfs, in die Merz und die CDU/CSU mit großem Vorsprung in den Umfragen gehen. Die Union kommt derzeit auf 29 bis 34 Prozent, die SPD liegt dagegen weit abgeschlagen mit 15 bis 18 Prozent nur auf Platz drei hinter der AfD.

Auch bei den persönlichen Beliebtheitswerten liegt der Kanzler hinten: Laut ARD-DeutschlandTrend sind 32 Prozent der Befragten zufrieden mit Merz, aber nur 23 Prozent mit Scholz.

Mit Informationen von Lothar Lenz, ARD-Hauptstadtstudio

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 09. Februar 2025 um 22:45 Uhr.