Bundestagswahl 2025

Robert Habeck und Olaf Scholz sitzen auf der Regierungsbank während Friedrich Merz zum Plenum spricht.

Generaldebatte im Bundestag Abrechnung zum Abschied

Stand: 11.02.2025 14:59 Uhr

Es war eine Generaldebatte im Zeichen des Wahlkampfs: Zwischenrufe, viel Unruhe und Gelächter. Der Bundestag zwischen Abrechnung und Abschied.

Von Torben Ostermann, ARD-Hauptstadtstudio

Die Kulisse ist prächtig. Die Sonne strahlt über dem Deutschen Bundestag. Touristen schlängeln sich durch die Reichstagskuppel. Die Besuchertribünen sind gut gefüllt, ebenso die Reihen im Parlament.

Und dennoch dürften viele Abgeordnete die Debatte mit einem mulmigen Gefühl verfolgen. Wenige Tage vor der Wahl macht sich Nervosität breit. Klappt es mit dem Wiedereinzug? Ist die politische Karriere am Ende? Und mit wie vielen Abgeordneten ist die AfD künftig im Hohen Haus vertreten?

Matthias Deiß, ARD Berlin, zum Schlagabtausch der Kanzlerkandidaten im Bundestag

tagesschau, 11.02.2025 20:00 Uhr

Scholz bleibt sich treu

Olaf Scholz ist der erste Redner an diesem Tag. Zwar hat sich der Kanzler beim TV-Duell mit Friedrich Merz besser geschlagen als von vielen vorhergesagt. Dennoch wirkt sein Kampf ums Kanzleramt zunehmend verzweifelt.

Unbeirrt aller Abgesänge macht Scholz weiter. Er kritisiert Merz für sein Handeln und versucht wieder und wieder, ihn als unseriösen und impulsiven Politiker darzustellen.

Scholz bleibt auch in seiner vorerst letzten großen Rede im Bundestag seiner Strategie treu. Er nennt Zahlen und Fakten, beschreibt eher trocken die aus seiner Sicht gute Bilanz der von ihm geführten Regierung.

Nicht wenige in seiner Partei wünschen sich, dass Scholz häufiger mal auf Emotionen setzt. Wer das schon in jungen Jahren auf beeindruckende Art wusste, ist Kevin Kühnert. Was folgte, war eine rasante Karriere - vom Juso-Chef zum Generalsekretär.

Vor einigen Monaten war plötzlich Schluss. Kühnert wurde krank und zog sich zurück. Und so war es für viele eine Überraschung, ihn in dieser letzten großen Debatte noch einmal zu sehen. Auch für den 35-Jährigen ist es der vorerst letzte Auftritt im Parlament. Kühnert tritt nicht noch einmal an.

Erste Lacher für Merz

"Was war das denn?" Mit dieser Frage eröffnet der Oppositionsführer Friedrich Merz seine Rede und erntet erste Lacher. Was folgt, ist eine Abrechnung mit Olaf Scholz und seiner Regierung: zu viele Arbeitslose, eine Wirtschaft im Sinkflug, Rezession. Merz lässt nichts aus und malt ein düsteres Bild von Deutschland.

Seine Union liegt in den Umfragen stabil bei rund 30 Prozent. Die langersehnte Kanzlerschaft scheint ihm kaum noch zu nehmen zu sein.

Das weiß auch Merz selbst. Dementsprechend staatsmännisch gibt sich der Sauerländer. Bloß nicht provozieren lassen. Denn auch das weiß Friedrich Merz: Seine Impulsivität ist seine Achillesferse.

Immer wieder rufen Abgeordnete dazwischen, vor allem aus den Reihen der SPD. "Wie nervös sind Sie eigentlich?", entgegnet Merz. Dann meldet sich Bundestagspräsidentin Bärbel Bas zu Wort, bittet um Ruhe und guckt dabei deutlich in Richtung ihrer Parteifreunde von der SPD.

Von der Rede des wahrscheinlich künftigen Kanzlers bleibt vor allem die Kritik an der Scholz-Regierung hängen. Was er mit dem Land vorhat? Das bleibt an dieser Stelle sein Geheimnis.

Habeck spricht über Klima und Bildung

Robert Habeck versucht in seiner Rede, Leerstellen zu füllen. Er spricht über Klimaschutz. Vor vier Jahren noch ein zentrales Wahlkampfthema, heute an den Rand gedrängt. Er wirft der Union vor, Rezepte aus den 1980er-Jahren zu verfolgen und keine Antworten zu haben.

Die nächste Leerstelle in diesem Wahlkampf: Bildungspolitik. Auch an den Rand gedrängt von Migrationsdebatte und Wirtschaftskrise.

Dann spricht der Wirtschaftsminister über das Deutschlandticket und lobt dieses Ampel-Projekt als großen klima- und sozialpolitischen Erfolg. Es sei unverständlich, dass die Union nun darüber spricht, das Ticket wieder abschaffen zu wollen und gleichzeitig plane, Millionäre zu entlasten.

Hier blitzt die alte Welt kurz mal auf, die Welt der alten Lager. Rot und Grün auf der einen, Schwarz und Gelb auf der anderen Seite. Das Problem: Diese alte Welt gibt es so nicht mehr. Und das liegt nicht nur an der Stärke der Blauen, sondern auch an der Schwäche der anderen.

Lindner setzt auf FDP pur

Bis vor Kurzem saß er noch in der Regierung. Doch nur wenige Monate nach dem Bruch der Ampelkoalition hat sich Christian Lindner zu einem der schärften Kritiker seiner alten Regierung gemausert. Dem Kanzler wirft er vor, in einem Paralleluniversum zu leben. Dem Vizekanzler, er würde unnötig Bürokratie aufbauen.

Lindner und seine FDP kämpfen ums politische Überleben. Jede Umfrage, die die liberale Partei bei unter fünf Prozent sieht, tut weh. Lindner setzt im Wahlkampf auf FDP pur: einen schlanken Staat und damit den verbundenen Abbau von Bürokratie.

Zwischenrufe bei Weidel-Rede

Alice Weidel tritt ans Rednerpult. Im Plenum wird es laut. Sie will beschreiben, wie ein Deutschland unter ihrer Führung aussehe. Doch weit kommt sie nicht.

Die Zwischenrufe der anderen werden so laut, dass die Co-Chefin der AfD ihre Rede unterbricht und den Abgeordneten von SPD und Grünen vorwirft, noch nie in ihrem Leben wirklich gearbeitet zu haben. Was folgt, ist noch mehr Unruhe, noch mehr Zwischenrufe.

Eine vergiftete Atmosphäre, die die AfD meistens zu nutzen weiß. Sie nutzt solche Debatten gerne und mit großem Erfolg für kurze Social-Media-Clips.

Einige von denen, die heute im Bundestag gesprochen haben, treffen in den Tagen bis zur Wahl noch häufiger aufeinander. Es ist die Zeit der TV-Duelle. Vor einem Millionenpublikum haben Scholz, Merz, Habeck und Weidel noch ein paar Chancen, Unentschlossene für sich zu gewinnen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 11. Februar 2025 um 15:00 Uhr.