Die Vorsitzenden von Grünen, SPD und FDP

Bilanz der Regierung Was die Ampelkoalition geschafft hat

Stand: 12.02.2025 09:06 Uhr

Der Bundestag hat zum letzten Mal vor der Wahl getagt. Zeit eine Bilanz zu ziehen: Was hat die Regierung von Kanzler Scholz geschafft, welche Entscheidungen dürften auch zukünftig Wirkung entfalten?

Von Martin Polansky, ARD-Hauptstadtstudio

Bürgergeld, Energiewende, Deutschland-Ticket - eins kann man der Ampelkoalition bescheinigen: Sie hat einiges auf den Weg gebracht.

Robert Vehrkamp hat für die Bertelsmann-Stiftung die Arbeit der Ampel-Regierung untersucht. "Wenn es darum geht, Fleißkärtchen zu verteilen, hat die Ampel eine ganze Menge davon eingesammelt. Sie hatte sich in ihrem Koalitionsvertrag ein enorm umfangreiches Reformprogramm vorgenommen. Mehr als 450 konkrete Regierungsvorhaben vereinbart. Da ist auch tatsächlich vieles abgearbeitet worden. Es hat wichtige und große Reformvorhaben gegeben."

Ob diese Reformen gut oder schlecht waren, ist Ansichtssache. Aber die Ampel hinterlässt ein Erbe.

Das Bürgergeld

Es war ein Herzenswunsch vor allem der SPD. Die wollte die ewigen Hartz-IV-Debatten endlich hinter sich lassen und die Grundsicherung anders gestalten.

Aus Hartz IV wurde das Bürgergeld. Und neben dem freundlich klingenden Namen wurden auch einige Erleichterungen für die Empfänger festgeschrieben: Höhere Regelsätze, mildere Sanktionen, mehr Kulanz bei Schonvermögen und Wohnungsgröße.

Aus Sicht von SPD und Grünen bietet das Bürgergeld mehr Sicherheit in schwierigen Lebenslagen. Außerdem sei es gut, dass Aus- und Weiterbildung jetzt Vorrang vor schneller Vermittlung haben.

Union, AfD und FDP kritisieren dagegen, dass mit dem Bürgergeld die Anreize gesunken seien, sich eine Arbeit zu suchen statt Transferleistungen zu beziehen.

Die Energiewende

Insbesondere die Grünen sind mit ambitionierten Plänen für eine umfassende Energiewende in die Koalition gegangen. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien wurde deutlich beschleunigt, der Netzausbau kommt auch langsam voran.

Nach wie vor ist aber unklar, wie die enormen Investitionskosten gestemmt werden sollen. Besonders viele Schlagzeilen machte das Heizungsgesetz.

Wegen des russischen Krieges in der Ukraine investierte die Ampel aber auch fossil. In kurzer Zeit wurde eine Flüssiggasinfrastruktur aufgebaut, um russische Erdgaslieferungen zu ersetzen und eine Versorgungskrise zu verhindern.

Robert Habeck betont, dass er mehr getan habe für eine Energie- und Klimawende als jeder Wirtschaftsminister vor ihm. Vor allem verweist er auf den deutlich gestiegenen Anteil von Windkraft und Photovoltaik am Energiemix.

Union, AfD und FDP kritisieren die hohen Strompreise und mangelnde Technologieoffenheit bei der Energiewende. Die Union will das Heizungsgesetz deutlich verändern.

Das Deutschlandticket

Es war vor allem das Vorzeigeprojekt von Verkehrsminister Volker Wissing, der nach dem Ampel-Aus die FDP verlassen hat. Erstmals können Fahrgäste mit dem Deutschlandticket bundesweit den öffentlichen Nahverkehr nutzen - zu einem deutlich niedrigeren Preis als die meisten Monatskarten der Regionalverbünde.

Das Ticket wird sehr gut angenommen, mehr als 13 Millionen Bürger besaßen 2024 im Durchschnitt das Abo, das monatlich gekündigt werden kann. Die Fahrgäste sparen viel Geld, die Verkehrsverbünde klagen aber über Einnahmeausfälle.

Unklar ist die dauerhafte Finanzierung durch Bund und Länder. Der Preis für das Ticket wurde mit Jahresbeginn von 49 auf 58 Euro erhöht.

Das Staatsangehörigkeitsrecht

Viele Jahrzehnte wurde in Deutschland über den Doppelpass gestritten. Mit dem neuen Staatsangehörigkeitsrecht der Ampelkoalition ist es nun generell möglich, sich einbürgern zu lassen und den bisherigen Pass zu behalten.

Das galt bislang schon für EU-Bürger, nun haben beispielsweise auch Zugewanderte aus der Türkei diese Möglichkeit. Zudem wurden die Fristen für die Einbürgerung verkürzt. Im Regelfall muss man statt acht nun fünf Jahre in Deutschland gelebt haben.

Viele Kommunen melden, dass die neuen Möglichkeiten genutzt werden, dass die Zahl der Einbürgerungsanträge deutlich angestiegen ist. Offizielle Vergleichszahlen des Bundesinnenministeriums gibt es noch nicht.

Insbesondere die AfD kritisiert die aus ihrer Sicht viel zu schnellen Einbürgerungen und die Neuregelung zum Doppelpass.

Weitere Reformen

Die Ampelkoalition hat Cannabis teilweise legalisiert, mit Hilfe der Union ein 100-Milliarden-Euro Sondervermögen für die Bundeswehr aufgelegt und mit dem Selbstbestimmungsgesetz ermöglicht, den eigenen Geschlechtseintrag deutlich einfacher zu ändern.

Nun geht die Legislaturperiode zu Ende. Der Bundestag wird vor der Wahl keine neuen Gesetze mehr beschließen. Es stellt sich die Frage, was von den Ampel-Reformen bleibt. Die Union hat angekündigt, nach einer möglichen Regierungsübernahme einige Gesetze wieder zu ändern, etwa das Bürgergeld, die Cannabis-Legalisierung, Teile der Energiepolitik.

Robert Vehrkamp von der Bertelsmann-Stiftung verweist darauf, dass die Union mutmaßlich die SPD oder Grünen für eine Koalition brauchen wird: "Ich glaube, das wird nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Man wird Kompromisse machen." Nach Vehrkamps Einschätzung werden SPD und Grüne darauf achten, dass die Reformen zumindest in der Substanz nicht angefasst werden.

Bilanz der Bundesregierung
Wie steht es um Konjunktur, Wohnungsbau und Corona-Aufarbeitung? Welche Ampel-Projekte auf der Strecke geblieben sind, lesen Sie hier.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR aktuell Fernsehen am 07. November 2024 um 19:30 Uhr.